
Wie funktioniert das deutsche Forschungszulagengesetz?
Staatliche Beihilfen für Unternehmen sieht das EU-Recht nur in einem engen Rahmen vor. Mit dem seit Januar 2020 geltenden Forschungszulagengesetz (FZulG) hat Deutschland einen Weg gefunden, entsprechende Investitionen steuerlich auszugleichen. Was müssen Unternehmen und Wirtschaftsprüfer*innen bei der Bilanzierung beachten?
Bei den rund 76 Milliarden Euro, die der Bund in der Coronazeit als Wirtschaftshilfen an die Unternehmen ausgezahlt hat, gerät leicht in Vergessenheit, dass staatliche Beihilfen laut EU-Recht grundsätzlich verboten sind. Die Bestimmung hat einen guten Grund: Sie soll Wettbewerbsverzerrungen verhindern, die durch nationale Förderprogramme entstehen könnten. Doch natürlich gibt es zahlreiche Ausnahmen von der Regel. So erlaubt das EU-Beihilferecht staatliche Subventionen in Krisenzeiten, wie eben während der Covid-19-Pandemie. Auch andere Zuschüsse lässt das EU-Recht zu. Darunter fallen unter anderem Regionalbeihilfen, Beihilfen für kleinere Unternehmen, Risikofinanzierungsbeihilfen sowie Umweltschutzbeihilfen. Und auch Finanzspritzen für Forschung, Entwicklung und Innovation sind in begrenztem Umfang möglich.
Dass die EU die Subventionierung von Forschung und Entwicklung (FuE) zulässt, wenngleich in einem engen Rahmen, hat zahlreiche Gründe. So sind vor allem kleinere und mittelgroße Unternehmen mit ihren FuE-Investitionen oft zurückhaltend, weil diese mit hohen finanziellen Risiken verbunden sind. Innovationen sind aber entscheidend für die Entwicklung einer Volkswirtschaft, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Da es das erklärte Ziel der EU ist, eine weltweite Führungsrolle bei Forschung und Innovation einzunehmen, will sie Anreize für die Unternehmen schaffen, verstärkt in den FuE-Bereich zu investieren, und erlaubt so bestimmte öffentliche Zuwendungen in diesem Bereich.
Deutsche Forschungsbeihilfen technologieoffen und branchenübergreifend
Während die Corona-Beihilfen und andere Investitionsförderungen in die Kategorie der Billigkeitsleistungen fallen, es also keinen gesetzlichen Anspruch auf staatliche Mittel für die Unternehmen gibt, ist das bei den Forschungszulagen (FZul) anders. In Deutschland regelt unter anderem das seit Januar 2020 geltende Forschungszulagengesetz (FZulG), welche Unternehmen und welche Themen einen Anspruch auf entsprechende Mittel haben. Demnach sind alle unbeschränkt oder beschränkt körperschaftsteuer- oder einkommensteuerpflichtigen Unternehmen bzw. deren Gesellschafter anspruchsberechtigt, solange sie sich zum Zeitpunkt der Antragsberechtigung nicht in größeren finanziellen Problemen befunden haben.
Die Forschungszulage ist damit technologieoffen und branchenneutral ausgerichtet. Das heißt, nahezu jedes Unternehmen, das in FuE investiert, kann entsprechende Mittel beantragen, unabhängig vom jeweiligen Geschäftsfeld oder der spezifischen Technologie, die erforscht werden soll. Gefördert werden insbesondere Vorhaben aus den Bereichen Grundlagen- und industrielle Forschung sowie experimentelle Entwicklungen. Die Unternehmen sollten hierbei grundsätzlich unbekanntes Terrain betreten. Entsprechend sollten die Vorhaben neuartig, schöpferisch und ungewissen Ausgangs sein. Nicht förderfähig sind hingegen Projekte zur Steigerung von Umsatz, Produktivität und Rentabilität bereits etablierter Produkte und Verfahren. Die Forschungsvorhaben können sowohl eigenbetrieblich als auch im Rahmen von Auftragsforschungen erfolgen.
Steuererleichterung für forschende Unternehmen
Nicht zuletzt, um im rechtlichen Korridor zu bleiben, den das EU-Recht für die nationale FuE-Unterstützung eröffnet, gewährt das FZulG keine direkten Zulagen für Forschungsprojekte. Stattdessen geht der Gesetzgeber den Weg über die Steueranrechenbarkeit entsprechender Vorhaben. Das vor fünf Jahren verabschiedete Gesetz sieht somit vor, dass sich die Unternehmen 25 Prozent ihrer förderfähigen Personalaufwendungen für Forschung und Entwicklung auf die festgesetzte Einkommens- und Körperschaftsteuer anrechnen lassen können. Mit dem Wachstumschancengesetz vom März 2024 wurde der Fördersatz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nochmals um 10 Prozent erhöht und zudem die Wertminderung von beweglichen, abnutzbaren Wirtschaftsgütern, die im Rahmen der Forschung eingesetzt werden, als förderfähig eingestuft.
Wie gezeigt, werden die Forschungsaufwendungen über den steuerlichen Umweg ausgeglichen. Die steuerliche Bemessungsgrundlage ist hierbei insgesamt auf 10 Millionen Euro bzw. 2,5 Millionen Euro jährlich begrenzt. Allerdings kann es unter Umständen doch zu Direktzahlungen aus der Staatskasse kommen. Das ist dann der Fall, wenn die Forschungszulage höher ausfällt als die festgesetzte Steuer. In Verlustphasen ist damit sogar eine Auszahlung von 100 Prozent der Zulagen möglich.
Die neue Bundesregierung hat sich die Stärkung des Forschungsstandorts Deutschland zum Ziel gesetzt. Im Koalitionsvertrag hat sie hierzu explizit die Steigerung der Attraktivität der FZul vereinbart. Die Regierungsparteien haben dazu höhere Fördersätze, eine Anhebung der Bemessungsgrundlage und ein vereinfachtes Antragsverfahren in Aussicht gestellt – vor allem KMU sollen von den Neuerungen profitieren.
Bilanzierung: Differenzierter Ansatz für mehr Transparenz
Besonders wichtig für Abschlussprüfer*innen ist die Frage, wie die Forschungszulagen im Jahresabschluss abgebildet werden müssen. Das Handelsgesetzbuch (HGB) sieht hier je nach Ausgestaltung der Forschungszulage unterschiedliche Bilanzierungsweisen vor. So werden nicht rückzahlbare Zuwendungen der öffentlichen Hand überwiegend als Aufwandszuschuss gewährt. In diesem Fall wird die Forschungszulage in der Gewinn- und Verlustrechnung als „sonstiger betrieblicher Ertrag“ erfasst. Unter bestimmten Bedingungen kann die Zulage auch unter dem Bilanzposten „sonstige Vermögensgegenstände“ eingestellt werden. Handelt es sich bei der Zuwendung hingegen um einen Investitionszuschuss, sieht das HGB im ersten Schritt eine erfolgsneutrale Bilanzierung vor. Die Buchung muss also auf eine Weise erfolgen, die sich vorerst nicht auf Gewinn und Verlust des Unternehmens auswirkt. Hierzu kann das Unternehmen den Zuschuss entweder direkt von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des bezuschussten Vermögensgegenstands abziehen. Oder es stellt einen Sonderposten für Investitionszuschüsse in Höhe des Zuschusses auf der Passivseite der Bilanz ein. In beiden Fällen erfolgt die erfolgswirksame Bilanzierung über die Nutzungsdauer der geförderten Vermögensgegenstände.
Mit dieser differenzierten Bilanzierung unterstreicht der Gesetzgeber die wirtschaftliche Bedeutung der Forschungszulage und unterstützt die transparente Darstellung ihrer Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Jahresabschluss.
Fazit: Gesetz mit hohem Anklang trotz bürokratischer Hürden
Für die einen gilt der Steuermechanismus des deutschen Forschungszulagengesetzes als elegante Lösung, um die Innovationstätigkeit hiesiger Unternehmen zu fördern. Andere sehen im Forschungszulagengesetz hingegen zu viel bürokratischen Aufwand, zumal das Gesetz ja vor allem für kleine und mittlere Betriebe designt ist. Was gleichwohl für die Regelung spricht, ist ihr Erfolg: Nach einem verhaltenen Beginn in den Jahren der Corona-Pandemie wurden mittlerweile über 36.000 Anträge zu 45.000 Vorhaben gestellt. Für die forschenden Unternehmen bedeutet das zwar, dass sie mit Blick auf den Jahresabschluss einige bilanzrechtliche Besonderheiten beachten müssen. Ihrer Forschung steht hingegen nichts mehr im Wege. Zudem könnten sie in naher Zukunft noch stärker durch die FZul profitieren – Pläne hierzu hat die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag skizziert.
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