Benchmarking-Analyse: Hält die CSRD, was sie verspricht?

Werte & Vision
22. Juli 2025

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) hebt die EU die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf ein neues Niveau. Die Richtlinie soll für eine Standardisierung sorgen und die Reportings vergleichbar machen. Doch sind diese Ziele realistisch? Erste Hinweise darauf gibt eine Berichtsanalyse aus der Versicherungsbranche.

Gegenstand der Analyse sind die Nachhaltigkeitsberichte von fünf größeren Versicherern, vier von ihnen in der EU ansässig. Im Fokus der Auswertung steht zum einen die Wesentlichkeitsanalyse, welche den Grundstein für die CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung eines jeden Unternehmens bildet. Hier sind es die dargestellten Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs für engl.: Impacts, Risks, and Opportunities) der Unternehmen, die wichtig für das Benchmarking sind. Die IROs sind die zentralen Elemente, die die Unternehmen im Rahmen der CSRD identifizieren, bewerten und über die sie berichten müssen, um ihre wesentlichen Nachhaltigkeitsauswirkungen und die damit verbundenen finanziellen Risiken und Chancen darzustellen.

Neben den Angaben über die IROs finden sich in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) wichtige Kenngrößen für den Vergleich der Versicherer. Die ESRS beinhalten detaillierte Vorgaben und Angabeverpflichtungen für die Berichterstattung. Zudem beziehen sich die identifizierten IROs auf diese „Themenstandards“, indem sie bestimmen, welche spezifischen ESRS für das Unternehmen relevant sind. Die IROs aktivieren gewissermaßen die für die Berichterstattung wesentlichen Standards – diese gilt es in der Berichterstattung zu berücksichtigen.

Analyse und Ergebnisse: Unterschiede dominieren Berichterstattung

Legt man die Berichte der fünf Versicherer nebeneinander, zeigt sich zunächst, dass es in ihren Umfängen keine überraschend großen Diskrepanzen gibt. So ist der mit 158 Seiten voluminöseste Bericht gerade einmal rund 50 Seiten länger als der kürzeste mit 105 Seiten. Die durchschnittliche Seitenzahl beträgt 126 Seiten. Alle Reportings sind in einem gesonderten Abschnitt des Lageberichts verortet und werden durch zusätzliche nachhaltigkeitsbezogene Angaben außerhalb des Lageberichts ergänzt.

Deutlicher sind die Unterschiede beim Blick auf die Granularitätsebene der Berichte. Diese bezieht sich auf den Detaillierungsgrad der Informationen, die ein Unternehmen in seinem Nachhaltigkeitsbericht gemäß ESRS offenlegen muss. Es geht darum, wie fein unterteilt und spezifisch die Daten und qualitativen Angaben sein sollen. Das Benchmarking zeigt nun, dass die Versicherer mit den Vorgaben recht unterschiedlich umgegangen sind. So hat ein Unternehmen seine IROs nur auf ESRS-Themenebene – das ist die oberste und allgemeinste Stufe – identifiziert. Ein anderer Versicherer verortet seine IROs hingegen ausschließlich auf der Subthemenebene. Damit nicht genug: Ein Unternehmen nimmt mit seinen IROs Bezug zur Themen- und Subthemenebene, während ein anderes die Subthemen- und Subsubthemenebene adressiert. Schließlich hat das letzte analysierte Unternehmen sowohl die Themen-, Subthemen- als auch die Subsubthemenebene im Fokus seiner Berichterstattung.

Auch die Anzahl der identifizierten Auswirkungen, Risiken und Chancen variiert stark: von 20 bei dem Unternehmen mit den wenigsten IROs bis zu 96 bei dem mit den meisten. Durchschnittlich kommen die Versicherer auf 50 IROs. Hierbei betreffen im Durchschnitt 64 Prozent der IROs die nachhaltigkeitsbezogenen Auswirkungen des Unternehmens, 23 Prozent rekurrieren auf die nachhaltigkeitsbezogenen finanziellen Risiken und 13 Prozent auf die nachhaltigkeitsbezogenen finanziellen Chancen des Unternehmens. Betrachtet man die Verteilung auf die ESG-Dimensionen, ergibt sich folgendes Bild: Durchschnittlich 55 Prozent gehören zur ESG-Dimension E (Environmental), 27 Prozent zu S (Social) und 19 Prozent entfallen auf G (Governance).

Mit Blick auf die Inhalte der IROs zeigen sich zunächst übereinstimmende Muster bei den Versicherern. So aktivieren alle Unternehmen die Standards E1 „Klimawandel“, S1 „Arbeitskräfte des Unternehmens“, S4 „Verbraucher und Endnutzer“ und G1 „Unternehmensführung“. Zusätzlich haben drei Unternehmen den Standard E4 „Biologische Vielfalt und Ökosysteme“ als wesentlich ausgemacht, zwei in dieser Gruppe setzen zudem einen Haken bei den Standards E5 „Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft“ und S2 „Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette“. Schließlich hat ein Unternehmen zusätzlich auch die restlichen drei Themenstandards als IRO-relevant eingestuft, als da wären: E2 „Umweltverschmutzung“, E3 „Wasser- und Meeresressourcen“ und S3 „Betroffene Gemeinschaften“.

Bewertung und Rückschlüsse: Unternehmen in der Experimentierphase

Wie sind die Ergebnisse des Benchmarkings nun in Hinblick auf das Ziel der CSRD zu bewerten, eine bessere Vergleichbarkeit der Berichte herzustellen?

Granularitätsebene: Hier zeichnet sich aktuell noch kein eindeutiger Trend ab. So verfolgen die Unternehmen mit ihren Berichten jeweils eigene Ansätze. Es wird deutlich, dass sich die Versicherer – und sicherlich nicht nur sie – bei der Umsetzung dieser ersten Nachhaltigkeits-Reportings nach den Anforderungen der CSRD noch in einer Experimentierphase befinden. Hierbei testen und probieren sie unterschiedliche Methoden zur Identifikation und Berichterstattung der wesentlichen IROs erst nach und nach aus. Ein allgemeiner Branchentrend bei der Handhabung der IROs ist daher aktuell noch nicht zu erkennen. Das Ziel der einheitlichen und vergleichbaren Berichterstattung konnte im ersten CSRD-Berichtsturnus somit nicht erreicht werden.

Auswirkungen, Risiken und Chancen: Bei den IROs zeigt sich eine erhebliche Variabilität in ihrer definierten Anzahl von 20 auf der einen und 96 auf der anderen Seite des Spektrums. Das verdeutlicht, dass die Unternehmen auch hier unterschiedliche Ansätze und Prioritäten bei der Identifikation und Berichterstattung verfolgen. Man sollte meinen, dass eine hohe Anzahl von IROs schon fast zwangsläufig auch eine hohe Zahl von ESRS-Standards aktiviert. Dass es so einfach nicht ist, auch das zeigt die aktuelle Analyse. So hat das Unternehmen mit den meisten IROs die wenigsten ESRS-Standards ausgewiesen. Auch mit Blick auf die IROs muss daher konstatiert werden, dass es noch kaum Einheitlichkeit gibt – und somit auch nur wenig Möglichkeiten, Vergleiche vorzunehmen.

IRO-Verteilung: Bei der Verteilung der wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte auf die Bereiche „Auswirkungen“, „Risiken“ und „Chancen“ haben die Versicherer hingegen eine einheitliche Linie gefunden. Bei allen Unternehmen betreffen über die Hälfte der IROs den Bereich der Auswirkungen, es folgen mit einigem Abstand die Risiken, während Chancen – bis auf eine (knappe) Ausnahme – am seltensten identifiziert wurden. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass die Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeiten oft sichtbarer und messbarer sind, was ihre Berichterstattung enorm erleichtert. Auf der anderen Seite sind Chancen oft weniger klar definiert und schwieriger zu quantifizieren – das macht sie für die Reportings schwerer greifbar. Gerade Versicherungsunternehmen sind zudem stark auf das Thema Risikomanagement fokussiert, was die Identifikation nachhaltigkeitsbezogener Risiken erleichtern und so das Gewicht bei der Wesentlichkeitsanalyse in Richtung Risiko kippen lassen könnte. Unter dem Strich kann die EU bei der IRO-Verteilung aber einen Haken setzen: Das Ziel einer besseren Vergleichbarkeit hat sie hier erreicht.

Thematische IRO-Zuordnung: Hier ist der IRO-Anteil, der Umweltaspekte (E) betrifft, bei allen Unternehmen gleichermaßen hoch. Nachvollziehbar ist das, weil im E-Bereich klare und messbare Vorgaben existieren. Soziale Aspekte (S) wie Arbeitsbedingungen, Diversität und Inklusion sind hingegen oft schwerer zu quantifizieren und zu dokumentieren – die Folge ist eine geringere Berichterstattung und eine größere Variabilität in den Ansätzen der Unternehmen. Im Ergebnis ist auch die Berichterstattung der Versicherer bei der Umweltthematik am besten vergleichbar. Noch anspruchsvoller wird der Vergleich der aktivierten Standards. Wie oben gezeigt, dürfte ein solcher nur bei wenigen Standards gelingen (E1, S1, S4 und G1), ansonsten reporten die Unternehmen sehr uneinheitlich.

Fazit: Berichte bleiben aktuell noch hinter Erwartungen zurück

Das Ziel der EU, mit der CSRD eine bessere Vergleichbarkeit des Nachhaltigkeitsprofils der Unternehmen herzustellen, kann mit Blick auf die Versicherer nur in Teilbereichen als erreicht eingestuft werden. Während die Unternehmen auf vielen Feldern noch experimentieren und auf der Suche nach dem richtigen Weg und dem richtigen Maß sind, ist gleichwohl absehbar, dass sich über kurz oder lang Best Practices etablieren dürften. So werden die Unternehmen voneinander lernen und ihre Reportings in Wechselwirkung mit den Berichten der Wettbewerber anpassen und sich so nach und nach von selbst auf das Ziel der EU zubewegen.

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