
CSRD und Omnibus: Abwarten ist für den Mittelstand keine Option
Die EU überarbeitet die Vorgaben für Nachhaltigkeitsberichte, doch der Mittelstand bleibt verunsichert. Yvonne Meyer und Annette Johne erläutern im Interview, was sich ändern soll. Zudem zeigen die ESG-Audit-Expertinnen , warum eine frühzeitige Vorbereitung auf die Berichterstattung für die Unternehmen entscheidend bleibt.
Mit ihrem „Omnibus-Pakets“ greift die EU-Kommission die Probleme mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) auf. Was wird sich hierdurch verändern?
Yvonne Meyer : Die Kommission hat mit dem Omnibus-Paket im Wesentlichen drei Änderungen auf den Weg gebracht: Erstens gibt es mit der sogenannten „Stop-the-clock“-Richtlinie eine zweijährige Fristverlängerung für Unternehmen, die ab 2025 erstmals berichtspflichtig gewesen wären. Zweitens wird mit der „CSRD 2.0“ ein höherer Schwellenwert diskutiert – hier steht noch nicht fest, ob die Grenze bei 1.000 Mitarbeiter*innen liegt oder möglicherweise höher. Drittens wird die Komplexität der Berichterstattung reduziert: Die EU-Kommission hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) damit beauftragt, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) bis Ende Oktober 2025 zu überarbeitenDie ESRS beinhalten detaillierte Vorgaben und Angabepflichten für die Berichterstattung. Ziel der Überarbeitung ist es, die Berichterstattung zu vereinfachen und die verpflichtenden Angaben zu reduzieren.
Klingt das nicht nach einer spürbaren Entlastung für mittelständische Unternehmen?
Annette Johne: Auf den ersten Blick ja – aber man darf sich nicht täuschen. Die Unsicherheit bleibt groß: Wir wissen noch nicht, welche Schwellenwerte am Ende gelten werden, und auch die finalen Inhalte der ESRS sind noch nicht bekannt. Weil sie das deutsche Gesetzgebungsverfahren dazu abwarten wollen, zögern viele Unternehmen daher, mit der Vorbereitung ihres Nachhaltigkeitsberichts zu beginnen. Aber genau dieses Abwarten ist riskant, weil wertvolle Zeit verloren geht.
Warum ist es riskant, wenn Unternehmen abwarten?
Annette Johne: Nachhaltigkeitsberichterstattung ist kein reines Reporting-Thema. Die Qualität des Berichts hängt direkt vom Nachhaltigkeitsmanagement ab, das ihm zugrunde liegt. Es geht darum, Auswirkungen, Risiken und Chancen systematisch zu analysieren – und dafür braucht es Zeit. Wer die Vorbereitungen erst beginnt, wenn alle Details final geregelt sind, wird Schwierigkeiten haben, die komplexen Anforderungen rechtzeitig umzusetzen.
Lohnt sich die Vorbereitung denn überhaupt, wenn am Ende vielleicht gar keine Berichtspflicht besteht?
Yvonne Meyer: Ja, unbedingt. Viele Mittelständler haben durch die Vorbereitung bereits erkannt, wie stark Nachhaltigkeit ihr Geschäftsmodell betrifft. Selbst wenn sie durch neue Schwellenwerte aus der Berichtspflicht herausfallen sollten: Die Erwartungen von Stakeholdern bleiben hoch. Klimarisiken, Ressourcenknappheit und gesellschaftliche Verantwortung machen belastbare Nachhaltigkeitsinformationen auch ohne gesetzliche Pflicht zu einem strategischen Thema.
Welche konkreten Schritte empfehlen Sie mittelständischen Unternehmen jetzt?
Annette Johne: Drei Meilensteine sind entscheidend: Erstens die Durchführung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse, die sowohl finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen als auch die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft bewertet. Zweitens die Identifikation der relevanten ESG-Themen und -Kennzahlen, auch wenn die Standards derzeit noch in Überarbeitung sind. Drittens, die Erstellung eines ersten Nachhaltigkeitsberichts als Prototyp – um Prozesse, Inhalte und Verantwortlichkeiten praktisch zu testen, ohne bereits alles perfekt erfüllen zu müssen.
Was ist Ihr strategisches Fazit?
Yvonne Meyer: Nachhaltigkeit ist ein kontinuierlicher Transformationsprozess. Die EU mag die Berichtspflichten verschieben und die Schwellenwerte anheben – an der grundsätzlichen Bedeutung des Themas ändert das nichts. Der Mittelstand sollte die verlängerte Vorbereitungszeit nicht als Anlass für Passivität sehen, sondern als strategische Chance. Diejenigen, die Nachhaltigkeitsmanagement als Teil ihrer Zukunftsfähigkeit verstehen, werden am Markt die besseren Karten haben – nicht nur regulatorisch, sondern auch im Wettbewerb um Investor*innen, Kund*innen und Talente.
Für weitere Themen rund um die Wirtschaftsprüfung und Forvis Mazars folgen Sie uns auch auf LinkedIn.
Kommentare