ESG-Governance Umfrage – Baustelle Prozess- und Kontrollumfeld

Reform & Debatte
5. Dezember 2023

ESG ist auch im Finanzsektor allgegenwärtig. Die Operationalisierung der regulatorischen Anforderungen erfordert eine ganzheitliche ESG-Governance. Wie weit die Financial-Services-Unternehmen bei der Weiterentwicklung ihrer Organisationsstruktur und Prozessabläufe sind, zeigt eine aktuelle Umfrage von Mazars.

Neben der strategischen Ausrichtung sind es insbesondere die Umsetzung der ESG-Regulatorik (ESG: Environmental, Social und Governance) und die Sicherstellung der Prüffähigkeit, welche die Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Zur Erfüllung aller Verpflichtungen, die sich beispielsweise aus der EU-Taxonomie, der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder auch der 7. Novelle der MaRisk ergeben, sind umfassende aufbau- und ablauforganisatorische Anpassungen erforderlich. Diese stellen später die Ausgangsbasis für die Prüfungshandlungen der Wirtschaftsprüfer*innen dar. Mit einer ganzheitlichen Umfrage zur ESG-Governance im Financial Services Bereich hat Mazars hierzu den Status Quo der Branche erhoben. Die Ergebnisse zeigen unterschiedlich weit fortgeschrittene Umsetzungsstände in der Prozess- und Kontrolllandschaft.

Insgesamt haben im Sommer 2023 vierzehn Banken und Finanzdienstleistungsinstitute an der Umfrage teilgenommen. Vom kleinen Finanzdienstleister bis zur großen Geschäftsbank umfasst der Teilnehmerkreis einen vielfältigen Querschnitt durch die Branche. Dementsprechend lassen sich aus den Umfrageergebnissen auch vielfältige Erkenntnisse, gerade in Bezug auf die Unternehmensgröße und das Geschäftsmodell, ableiten.

Breit gefächerter Fragenkatalog zur Erhebung der ESG-Governance

Unter dem Begriff ESG-Governance werden im Zuge der durchgeführten Umfrage grundsätzlich Strukturen, Verfahren und Maßnahmen verstanden, die einzurichten sind, um eine ordnungsgemäße operative Umsetzung aller gesetzlichen beziehungsweise regulatorischen ESG-Anforderungen sicherzustellen.

Mit Blick auf die Aufbauorganisation bedeutet das, dass im Unternehmen klare Verantwortlichkeiten geschaffen und Rollen für ESG-Themenstellungen zugewiesen werden müssen. Hinsichtlich der Ablauforganisation sind prozess- und kontrollorientierte Maßnahmen notwendig, um insbesondere die Vollständigkeit und Richtigkeit der nicht-finanziellen Berichterstattung sicherzustellen.

Um all diese Bereiche und ihren aktuellen Umsetzungsstand zu erheben, wurde ein Fragenkatalog entwickelt, der anhand von insgesamt 26 Fragen die Themenkomplexe „Aufbauorganisation“, „Datenidentifikation“ und „Prozessabläufe“, „Kontrollen“ und „Assurance“ beleuchtet.

Aufbauorganisation – Überwiegend zentrale Verantwortlichkeiten definiert

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass nahezu alle Institute neue Verantwortlichkeiten definiert haben. Zwei Drittel der Befragten haben sich hierbei für eine zentrale ESG-Verantwortung entschieden, die in den meisten Fällen in der Strategieabteilung des Unternehmens verortet wurde. Zwar zeigen es die aktuellen Umfrageergebnisse noch nicht, nach Einschätzung der Autoren wird jedoch zukünftig die Rolle des Finance-Bereichs, vor dem Hintergrund der Zuständigkeit für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, an Verantwortung und Bedeutung gewinnen.

ESG-Daten – Bislang kaum in Prozesslandkarten verortet

Nahezu alle der befragten Institute haben bereits eine Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt, führen gerade eine durch oder haben diese geplant, um für sich zu ermitteln, welche Informationen zu berichten sind. Es zeigt sich allerdings auch, dass bisher nur ein Drittel einen konkreten Datenanforderungskatalog auf Basis der Wesentlichkeitsanalyse abgeleitet hat, der granular aufzeigt, welche Datenpunkte zu erheben sind. Aus unserer Sicht wird es wichtig sein, einen solchen Katalog hausindividuell zu erarbeiten und vollständige Transparenz über die ESG-Datenerfordernisse herzustellen. Denn die Verortung dieser Datenpunkte in der unternehmensweiten Prozesslandschaft stellt den sachlogisch nächsten Schritt zur Überführung der ESG-Regulatorik in einen operativen Regelbetrieb dar. Hierzu zeigen die Umfrageergebnisse allerdings, dass bislang nur sehr wenige der befragten Unternehmen Datenpunkte bereits auf ihrer hauseigenen Prozesslandkarte zugeordnet haben.

Kontrollen – ESG nur in Einzelfällen Teil der Kontrolllandschaft

Die Umfrage zeigt, dass alle befragten Unternehmen grundsätzlich über ein unternehmensweites Internes Kontrollsystem verfügen und dessen Wirksamkeit mit der Hilfe eines entsprechenden Regelkreises überwachen. Allerdings haben derzeit erst zirka 15 Prozent des Teilnehmerkreises erste Kontrollen zur Sicherstellung der Vollständigkeit, Richtigkeit und termingerechten Bereitstellung von ESG-Daten konzipiert und implementiert. Um das inhärente Risiko der ESG-Datenerhebung und -aggregation zu mitigieren, wird es aus unserer Sicht perspektivisch erforderlich sein, ESG-Anforderungen auch in das unternehmensweite beziehungsweise rechnungslegungsbezogene Interne Kontrollsystem zu integrieren. Dafür sind nicht zwingend neue Kontrollen einzurichten, vielmehr können auch bestehende Kontrollen effizient um ESG-Komponenten ergänzt werden.

Assurance – Ein Drittel lässt ESG-Anforderungen bereits extern prüfen

Die Entwicklung einer angemessenen ESG-Governance ist auch vor dem Hintergrund zukünftiger Prüfungen von Bedeutung. Perspektivisch werden sowohl die Interne Revision als auch externe Prüfer*innen die ESG-Anforderungen prozess- und kontrollbasiert würdigen. Wie die Umfrage zeigt, lässt bereits jedes dritte Unternehmen die Nachhaltigkeitsberichterstattung oder zumindest einzelne ESG-KPIs extern überprüfen, beispielsweise nach ISAE 3000 (ISAE: International Standard on Assurance Engagements). Darüber hinaus haben bereits über die Hälfte der Internen Revisionen ESG-Aspekte in ihr Prüfungsuniversum integriert und führen entsprechende Prüfungen durch oder haben solche geplant. Mit Blick auf 2024 erwarten die Autoren, dass die Prüfung von ESG-Anforderungen regelmäßig Bestandteil von internen Revisionsprüfungen wird.

Vielfältige Herausforderungen für die gesamte Branche

Insgesamt zeigen die Umfrageergebnisse, dass die aufbau- und ablauforganisatorischen Anpassungen zur Erfüllung von ESG-Anforderungen für den zukünftigen Regelbetrieb noch nicht ausgereift sind. Die kommenden Monate werden zielgerichtet und intensiv genutzt werden müssen, um die regulatorischen Anforderungen in der Prozess- und Kontrolllandschaft zu operationalisieren und neben Vollständigkeit und Richtigkeit auch eine adäquate Prüffähigkeit für den*die Abschlussprüfer*in zu gewährleisten.


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