Interview mit Daraius Fraser: „Die Einführung von Joint Audits ist ein enormer Schritt“

Reform & Debatte
15. Juli 2021

Die Qualität in der Abschlussprüfung ist durch Bilanzskandale weltweit zunehmend in den gesellschaftlichen und politischen Fokus gerückt. Die Forderung nach einer stärkeren Regulierung wurde besonders für eine Branche immer lauter: den BFSI-Sektor – Banken, Finanzdienstleistungen und Versicherungen.

In Indien hat die Reserve Bank of India Ende April 2021 eine entsprechende Richtlinie veröffentlicht („Guidelines  for  Appointment  of  Statutory  Central  Auditors“), die die verpflichtende Einführung von Joint Audits, die Gemeinschaftsprüfung eines Unternehmens durch mindestens zwei Prüfungsgesellschaften, beinhalten.

Die beschlossenen Maßnahmen gelten für Geschäftsbanken, Primary (Urban) Cooperative Banks und Non-Banking Finance Companies inklusive Housing Finance Companies mit einer Bilanzsumme von ₹15.000 crore (1,6 Mrd. €). Betroffene Unternehmen können die Übergangsfrist bis zur zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2021/2022 nutzen, um Störungen im Geschäftsablauf vorzubeugen. Mithilfe der Maßnahmen soll die Prüfungsqualität verbessert werden.

Welche Vorgaben beinhalten die Richtlinien und wie wirken sie sich auf den Wirtschaftsprüfermarkt aus? Gibt es auch Kritikpunkte? Das haben wir Daraius Fraiser, Director für Assurance & Risk Advisory Services bei Mazars in Indien, gefragt.

  1. Was sind die wichtigsten Maßnahmen der neuen Richtlinien, die die Indische Zentralbank (Reserve Bank of India – RBI) gerade veröffentlicht hat? Und welche Ziele werden damit verfolgt?

    Das Rundschreiben stellt einen bedeutenden Schritt dar. Vor der Veröffentlichung waren Joint Audits bereits bei öffentlichen Unternehmen (Public Sector Undertakings – PSUs) und Versicherungsunternehmen die Regel.

    Diese wurden erweitert und gelten nun auch für alle Finanzunternehmen (Non-Banking Finance Companies – NBFCs) und Bausparkassen (Housing Finance Companies – HFCs). Das Konzept des Joint Audits soll nun bei allen Banken und Finanzunternehmen einschließlich privater Banken und Versicherungsunternehmen eingeführt werden.

    Ziel ist es, die Vielfalt im Prüfungsmarkt zu steigern und die Auswahlmöglichkeiten für Unternehmen im BFSI-Sektor (Banken, Finanzdienstleistungen und Versicherungen) zu erhöhen. So soll die Prüfungsqualität verbessert werden. Für kleine und mittelständische Unternehmen ist dies das Signal, jetzt in das gewünschte Know-how zu investieren.

    Ein weiterer Faktor ist Regionalität: Die Durchführung von Abschlussprüfungen soll auf lokale indische Firmen aufgeteilt werden.
  1. Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen auf den Wirtschaftsprüfungsmarkt und auf Unternehmen?

    Die Maßnahmen kamen sowohl für Unternehmen als auch für Banken und Wirtschaftsprüfer überraschend. Sie haben den Effekt, dass der Wirtschaftsprüfungsmarkt im Bereich BFSI weit geöffnet wird, die Marktvielfalt dürfte steigen: Der Großteil der Big Four und der mittelständischen Gesellschaften wird nun durch die Auswahlkriterien bei vielen Prüfungsmandaten ausgeschlossen, da sie entweder für das betroffene Unternehmen bzw. die betroffene Bank oder für ein Konzernunternehmen nicht abschlussprüfungsbezogene Dienstleistungen erbringen.

    Gemäß den neuen Bestimmungen darf eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nur eine begrenzte Anzahl an Abschlussprüfungen annehmen. Angesichts dessen reicht die Anzahl an Gesellschaften mit genügend Erfahrung im Bereich BFSI gegenwärtig noch nicht aus.
  1. Bei welchen Punkten sollten Verbesserungen vorgenommen werden und warum?

    Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft braucht Zeit, um den Betrieb der Bank bzw. des Unternehmens, das sie prüft, zu verstehen. Damit das Unternehmen aus diesem erworbenen Wissen auch wirklich Nutzen ziehen kann, sollte die Dauer der Amtszeit einer Prüfungsgesellschaft von drei auf mindestens vier, wenn nicht sogar fünf Jahre (so wie im Companies Act von 2013 vorgesehen) erhöht werden.  


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