Pillar 2: Was bedeutet die neue Mindeststeuer für die Konzerne?

Reform & Debatte
12. September 2023

Internationale Konzerne stehen immer wieder in der Kritik von Expert*innen. Der Vorwurf: Sie versteuerten ihre Gewinne vorzugsweise in Ländern mit niedrigen Steuersätzen. Doch damit könnte bald Schluss sein – so sollen die Steuervermeidungsstrategien mit einer neuen globalen Mindeststeuer ein Ende finden. Die Konzerne müssen ihre Gewinne demnach mit mindestens 15 Prozent versteuern – unabhängig davon, wo sie anfallen. Das stellt viele Konzerne vor neue Herausforderungen – und mit ihnen die Wirtschaftsprüfer*innen.

Bisher gab es kein „globales Steuerrecht“, das diesen Namen verdienen würde. Die Besteuerung von Unternehmen fiel stattdessen ausschließlich in die Hoheitsrechte der Nationalstaaten. Die Folge: Viele Konzerne versteuerten ihre Gewinne nicht mehr in ihrem Heimatmarkt oder dort, wo sie sie erwirtschafteten, sondern in den Ländern, die mit den niedrigsten Steuersätzen lockten. Ein „race to the bottom“ um die geringsten Steuersätze war vielfach die Folge – vielen Staaten entgingen so Einnahmen in Milliardenhöhe. Am Ende setzte sich die Erkenntnis durch, dass einzelne Staaten kein wirksames Mittel gegen die Steuerplanung mancher internationaler Konzerne haben. Eine international abgestimmte Lösung musste her.

Entwicklung: Von Pillar 2 zum nationalen Steuerrecht

Die Verhandlungen dauerten Jahre, koordiniert hat sie die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD). Der Durchbruch gelang schließlich 2021, als sich rund 130 Länder auf eine globale Mindestbesteuerung verständigten. Pillar 2, also „Säule 2“, heißt die Reform des globalen Steuerrechts deshalb, weil sie die zweite eines 2-Säulen-Modells der OECD darstellt. Während die erste Säule darauf abzielt, dass Gewinne verstärkt auch dort versteuert werden sollen, wo sie erwirtschaftet werden, steht Pillar 2 für das Konzept der internationalen Mindestbesteuerung. Dieses muss, um wirksam zu werden, in nationales Recht übersetzt werden. Hierzu hat beispielsweise die EU-Kommission eine entsprechende Richtlinie erlassen. Nach einem ersten Diskussionsentwurf wurde vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) ein Referentenentwurf für die Umsetzung in nationales Recht veröffentlicht.

Da es bisher keine international vereinheitlichten Besteuerungsgrundsätze gibt, handelt es sich bei Pillar 2 um ein völlig neues Besteuerungskonzept. Das führt bei seinen Adressaten zu einer Vielzahl von Fragen und Herausforderungen in der Umsetzung. Betroffen sind neben den Unternehmen nicht nur die Steuerberater*innen, sondern gerade auch Wirtschaftsprüfer*innen. Beispielsweise muss die globale Mindeststeuer künftig bei der Berechnung der latenten Steuern berücksichtigt werden. Die Einführung dieses neuen Besteuerungskonzepts erfordert somit eine Anpassung der bisherigen Praktiken.

Grundsätze: Welche Maximen bestimmen die neue Mindeststeuer?

Ziel der Vereinbarungen im Rahmen von Pillar 2 ist eine Versteuerung der Gewinne international tätiger Unternehmen mit mindestens 15 Prozent. Sehen die Regularien eines „Niedrigsteuerlands“ geringere Steuersätze vor, kann das Land des Mutterunternehmens eine so genannte Top-up Tax erheben. Ob diese Ergänzungssteuer aber wirklich fällig wird, müssen Expert*innen in einem mehrstufigen Verfahren und unter Bezug auf die Spezifika von Pillar 2 ermitteln. Es ist also internationale Expertise gefragt, das rein nationale Steuerwissen hilft hier nur bedingt weiter.

Wollen Unternehmen wissen, ob für sie eine Top-up Tax fällig wird, müssen sie in einem ersten Schritt ermitteln, welche (Tochter-) Unternehmen, Betriebsstätten und anderen Einheiten sie überhaupt in die Betrachtung miteinbeziehen müssen. Im Anschluss berechnen sie dann für diese Einheiten den  Gewinn oder Verlust – und zwar nach den spezifischen Regeln von Pillar 2. Hat das Unternehmen einen Gewinn erzielt, muss es den effektiven Steuersatz ermitteln, den es in der vermeintlichen Steueroase bereits gezahlt hat. Liegt der effektive Steuersatz unter den 15 Prozent, die Pillar 2 als Mindestsatz vorsieht, muss das Unternehmen die Top-up Tax zahlen. Diese fließt allerdings nicht in die Staatskassen des „Niedrigsteuerlands“, sondern kommt dem Land zugute, in dem der Konzern beheimatet ist.

Praxis: Was jetzt auf die Unternehmen zukommt

Das Verfahren verdeutlicht, dass Steuerexpert*innen mit ihrem herkömmlichen steuerlichen Werkzeugkasten  schnell an ihre Grenzen kommen. Allein die Beschaffung der notwendigen Informationen, die Pillar 2 für seine Berechnungen vorsieht, stellt in vielen Fällen eine Herausforderung dar. Doch damit nicht genug. Neu ist auch der zusätzliche Verwaltungsaufwand, der durch Pillar 2 entsteht. So sind die Unternehmen verpflichtet, eine zusätzliche Steuererklärung und einen Mindeststeuerbericht abzugeben, jeweils bei unterschiedlichen Behörden.

Unternehmen mit einem Konzernumsatz von über 750 Millionen Euro müssen Pillar 2 ab dem Geschäftsjahr 2024 in seiner ganzen Breite beachten. Das bedeutet: Die Prozesse für die Ermittlung der benötigten Informationen sollten möglichst schon jetzt angestoßen werden – vor allem mit Blick auf die Tochterunternehmen oder andere Unternehmenseinheiten im Ausland. Nur Unternehmen, die die von der OECD erlassenen Safe-Harbour-Regeln für sich in Anspruch nehmen können, müssen die Pflichten von Pillar 2 noch nicht vollumfänglich erfüllen. Die Betonung liegt auf „noch“, denn die Safe-Harbour-Regeln sind nur temporär anwendbar. Ab 2028 gibt es keinen sicheren Hafen mehr, der vor Pillar 2 schützt.

Die Safe-Harbour-Regeln sehen drei verschiedene Tests vor. Beim De-Minimis-Test wird geprüft, ob der Umsatz die Schwelle von zehn Millionen Euro und der Gewinn die Schwelle von einer Million Euro nicht überschreiten. Das zweite Testverfahren basiert auf der effective tax rate (ETR): Der vereinfachte ETR-Test ist erfüllt, wenn die (vereinfacht ermittelte) effektive Steuerquote einen jedes Jahr ansteigenden Mindestsatz erreicht. Der Routinegewinntest schließlich stellt die Frage, ob nach dem Abzug von sogenannten Routinegewinnen noch weitere Gewinne verbleiben.

Ausblick: Wird Pillar 2 die Erwartungen erfüllen?

Auch wenn jetzt erst die Gesetzesentwürfe vorliegen, sollten sich die betroffenen Unternehmen zeitnah mit dem Thema Pillar 2 beschäftigen. Ob die Regelungen zur Erreichung des gesteckten Ziels ausreichend sind, ist aus heutiger Sicht nicht abschließend zu beurteilen. Der Bundesfinanzminister rechnet jedenfalls mit einem Einnahmeplus von einer Milliarde Euro im Jahr 2026. Ob die Rechnung am Ende aufgeht – die nächsten Jahre werden es zeigen.


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