Eigenmittelanforderungen nach CRR III: Neues zum operationellen Risiko

Reform & Debatte
5. Juli 2022

Wie viele Eigenmittel braucht eine Bank, um ihre mit Risiken behafteten Geschäfte einzugehen? Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS) sucht seit Jahrzehnten eine Antwort auf diese Frage. Mit den Baseler Rahmenwerken veröffentlicht er Regeln, die die Eigenmittelvorgaben für den Bankensektor nachhaltig verändern. Ziel ist es, die Stabilität und Widerstandsfähigkeit der Banken zu stärken.

Basel III war eine direkte Folge der weltweiten Finanzkrise von 2008/2009. Damals hatte sich gezeigt, dass die meisten Kreditinstitute nicht über ausreichend hohe Eigenmittel und eine ausreichende Liquidität verfügen, um die mit der Kreditvergabe und anderen Bankgeschäften verbundenen Risiken abzudecken. Zahlreiche Banken gingen pleite, wenn sie nicht mit staatlicher Hilfe gerettet wurden.

In Teil 1 unserer WP-Blog-Serie zu den neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Bankensektor beschreiben Jelena Saihhova und Arif Torun von Mazars, was sich bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen für das operationelle Risiko der Banken ändert. Können sie ihre Ansätze weiter verwenden? Wie werden Institute die Kapitalunterlegung in Zukunft berechnen? Was fließt in die Berechnung des Geschäftsindikators ein? Wer wird zur Pflege und Veröffentlichung der Verlustereignisse aus operationellen Risiken verpflichtet sein?

Im Rahmen der Jahresabschlussprüfung müssen Wirtschaftsprüfer*innen die von den Kreditinstituten getroffenen Vorkehrungen zur ordnungsgemäßen Ermittlung der Kapitalquoten und somit der Eigenmittelanforderungen beurteilen. Änderungen der CRR III sind für die Prüfer*innen mit der Umstellung der Verfahren – auch für andere Risikoarten – zu beachten.

Neue Regeln für die Banken: die Eigenmittelanforderungen nach CRR III

Die ersten Elemente der Basel-III-Standards wurden durch die Capital Requirements Regulation (EU) Nr. 575/2013 (CRR) und die Capital Requirements Directive 2013/36/EU (CRD) in europäisches bzw. deutsches Recht umgesetzt. Allerdings gehen die Konkretisierung und Anpassung ausgewählter Anforderungen weiter. Am 27. Oktober 2021 veröffentlichte die Europäische Kommission Entwürfe für die CRR III und die CRD VI. Damit sollen die letzten Kernelemente der Basel-III-Reformen (BCBS 424), auch bekannt als Basel IV, in europäisches und deutsches Recht umgesetzt werden und am 1. Januar 2025 in Kraft treten.

CRR III fokussiert auf Neuerungen bei der Ermittlung der Eigenmittelanforderungen. Davon betroffen sind das Kreditrisiko und das operationelle Risiko, das Risiko der Anpassung der Kreditbewertung (Credit Valuation Adjustment Risk, CVA) und die Eigenmitteluntergrenze, der sogenannte Output Floor. Ziel der im Wesentlichen standardisierten Ansätze von Basel IV ist ein Plus an Vereinfachung und Vergleichbarkeit. Allerdings ist eine Umstellung auf neue Ansätze und ggf. die Anbindung neuer Daten immer ein zusätzlicher Aufwand für die Institute, der sich neben den voraussichtlich zusätzlichen Kapitalanforderungen auch auf die Preisgestaltung auswirken wird.

Werden die Banken weiterhin die bestehenden Ansätze für das operationelle Risiko verwenden?

Das „operationelle Risiko“ ist das Risiko von Verlusten, die durch die Unangemessenheit oder das Versagen von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder durch externe Ereignisse verursacht werden. Die Rechtsrisiken gelten als Bestandteil des operationellen Risikos der Institute.

Für die Kapitalunterlegung des operationellen Risikos verwendet man aktuell den Basisindikatoransatz, den Standardansatz oder den fortgeschrittenen Ansatz (Advanced Measurement Approach, AMA). Während kleinere Institute in der Regel einfachere Ansätze wie den Basisindikatoransatz und den Standardansatz nutzen – sie basieren auf den Daten der Gewinn- und Verlustrechnungen –, geht man mit dem fortgeschrittenen Ansatz, der von der Aufsicht zugelassen wird, in die komplexe Modellierung der erforderlichen Kapitalunterlegung für das operationelle Risiko.

Die bestehenden Ansätze haben Schwachpunkte: Es fehlt an Risikosensitivität und es mangelt an Vergleichbarkeit. Um die Berechnung der Eigenkapitalanforderungen für das operationelle Risiko zu vereinfachen, wird der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht mit Basel IV alle bestehenden Ansätze durch einen einzigen, nicht modellbasierten Ansatz ersetzen. Dieser wird als „neuer Standardansatz“ bezeichnet. Er baut auf dem bekannten Basisindikatoransatz sowie dem Standardansatz auf.

Fortgeschrittene Ansätze dürfen zur Bestimmung der Eigenmittelanforderungen nicht mehr verwendet werden, können aber für Zwecke des internen Kapitaladäquanzverfahrens (ICAAP) weiterhin Anwendung finden.

Was ändert sich bei der Berechnung der Kapitalunterlegung für das operationelle Risiko? Gibt es Unterschiede in der Berechnung zwischen den europäischen CRR-III-Vorgaben und dem Basel-IV-Rahmenwerk?

Nach Basel IV fließen in die Berechnung der Eigenmittelanforderungen für das operationelle Risiko sowohl die Geschäftsindikatorkomponente (Business Indicator Component, BIC) als auch die Verlustkomponente (Internal Loss Multiplier, ILM) mit ein. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU zu gewährleisten und die Berechnung der Kapitalunterlegung für das operationelle Risiko zu vereinfachen, hat die Europäische Kommission beschlossen, die Verlustkomponente für alle Institute in der EU außer Acht zu lassen.

Aus diesem Grund wird die Geschäftsindikatorkomponente als Geschäftsindikator berechnet, der mit einem bestimmten, größenabhängigen Prozentsatz multipliziert wird. Für die Berechnung des Geschäftsindikators der jeweiligen Bank werden bestimmte Daten aus den Gewinn- und Verlustrechnungen der letzten drei Jahre herangezogen.

Welche Komponenten fließen in die Berechnung des Geschäftsindikators ein?

Um ihren Geschäftsindikator berechnen zu können, werden Institute die folgende Formel nutzen: BI = ILDC + SC + FC

BI        =         Geschäftsindikator

ILDC   =          Zins-, Leasing- und Dividendenkomponente

SC       =         Dienstleistungskomponente

FC       =         Finanzkomponente

In die Berechnung der Geschäftsindikatorkomponente fließt der gewichtete Geschäftsindikator ein.

Welche Institute werden zusätzlich Verluste aus operationellen Risiken sammeln müssen?

Institute mit einem Geschäftsindikator (BI) von mindestens 750 Mio. € sind zur Pflege der durch operationelle Risiken bedingten jährlichen Verluste verpflichtet. Hierbei werden Verlustereignisse über einem Schwellenwert von mehr als 20.000 € berücksichtigt. Die Ereignisse, die einen Schwellenwert von 100.000 € überschreiten, werden zusätzlich einer Offenlegungspflicht unterliegen. Für Institute mit einem Geschäftsindikator von bis zu 1 Mrd. € sowie einem ungebührlich hohen Aufwand können zuständige Behörden Ausnahmen zur Pflege der Verlustdaten genehmigen.

Was bedeuten die Neuerungen bei der Kapitalunterlegung für das operationelle Risiko?

Gute Nachrichten: Die Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit zwischen den Instituten wird mit dem neuen Verfahren einfacher werden. Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der neuen Anforderungen ist jedoch – neben der guten Datenqualität – die mögliche Anpassung von Datenanlieferungen und Meldeprozessen. Verlustdaten zu sammeln und zu pflegen, ist für die meisten Banken hingegen ein bekannter Prozess, bei dem es nach wie vor auf die Vollständigkeit und Aktualität der Daten ankommen wird.

Die Banken sind gut beraten, wenn sie entsprechende Analysen und Projekte zeitnah starten, um zu überprüfen, an welchen Stellen Anpassungsbedarf besteht und welche Auswirkungen der neue Standardansatz auf die Höhe der Eigenmittelanforderungen und letztendlich ihre regulatorischen Kapitalquoten hat.

Heutige AMA-Anwender sollten eines beachten: Durch die zusätzliche Anwendung des neuen Standardansatzes für das operationelle Risiko werden die interne ökonomische Kapitalsteuerung und die externe Eigenmittelberechnung auseinandergehen.

Hilfreiche Links:

Entwurf der CRR III (Änderung der Verordnung (EU) 575/2013 (CRR))

Entwurf der CRD VI (Änderung der Richtlinie 2013/36/EU (CRD))

Basel-III-Reformen (BCBS 424)

CRR II in aktueller Fassung

In Teil 2 unserer WP-Blog-Serie gehen wir auf die Änderungen im Kreditrisiko-Standardansatz ein. Teil 3 beleuchtet die Änderungen für den Internal Ratings-Based Approach, der auf internen Einstufungen basiert. Teil 4 der Serie beschäftigt sich mit dem neuen Output-Floor. In Teil 5 unserer Serie zu den neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Bankensektor geht Irina Ursachi auf die neuen Eigenmittelanforderungen für das Credit Valuation Adjustment Risiko ein.


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