
Interkulturelle Prüferteams: Mit Respekt zum gemeinsamen Erfolg
Was braucht es, um aus einer Mannschaft interkultureller Mitarbeiter ein echtes Team zu formen? Matthias Frye berichtet, wie er die Herausforderung angegangen ist. Aus seiner Sicht sind Kommunikation, Respekt und wechselseitiges Verständnis zentral für den gemeinsamen Erfolg.
Als Senior Manager führe ich ein interkulturelles Team, in dem insgesamt sechs Sprachen gesprochen werden: Deutsch, Englisch, Chinesisch, Arabisch, Französisch und Türkisch. Aus meiner Sicht ist kulturelle Vielfalt nicht nur persönlich bereichernd, sie verschafft auch wirtschaftliche Vorteile: Einerseits im Wettbewerb um internationale Mandate, andererseits verbessert sie die Kommunikation mit den Ansprechpartner*innen internationaler Mandanten und erhöht so die Effizienz im Prüfungsprozess.
Das Individuum sehen und Gemeinschaft erleben
Das Team habe ich gemeinsam mit unseren Partner*innen und Kolleg*innen aus der Personalabteilung aufgebaut. Ich wusste bereits früh, was meine erste Herausforderung sein würde: Ich musste dafür sorgen, dass die neue, heterogene Mannschaft (ja, es sind bisher allesamt Männer) auch als Team funktioniert. Damit das gelang, zog ich wegweisende Lektüre heran, las beispielsweise „The Culture Map“ von Erin Meyer. Das war schon mal ein guter erster Ansatz, um zu verstehen, wo die kulturellen Fallen lauern. Doch die Theorie ist bekanntlich nur die eine Seite der Medaille, die andere – und wichtigere – ist die Praxis. Hier zeigte sich schon bald: Es gibt keine Plug-and-Play-Lösung für die jeweilige Kultur. Es muss immer der ganze Mensch mit seinem kulturellen Background und seiner individuellen Persönlichkeit im Fokus stehen. Es gilt, sich in jeden Einzelnen hineinzuversetzen und gemeinsam zu schauen, was in der aktuellen Situation weiterhilft.
Doch mit dieser Ausrichtung aufs Individuelle hat man am Ende noch kein Ganzes, sprich: kein Team. Was uns zugute kam, um ein solches zu werden: Wir arbeiten in der Regel einige Tage in der Woche in Präsenz vor Ort zusammen. Das Gemeinschaftsgefühl, das uns heute auszeichnet, hätten wir niemals erzeugen können, wenn wir uns nur in Video-Calls gesehen hätten. Während bereits das gemeinsame Arbeiten beim Mandanten verbindet, ist es mir wichtig, dass wir in der gemeinsamen Zeit vor Ort einmal in der Woche zusammen zu Abend essen. Auch Teamevents sind wichtig, um sich trotz aller Unterschiede als Kollektiv zu erleben. So haben wir uns dieses Jahr zu einer Virtual-Reality-Party getroffen und gemeinsam Videogames gespielt. Das Jahr zuvor waren wir in einem Escape-Room. Durch die gemeinsamen Veranstaltungen außerhalb der Arbeit wächst der Austausch und damit das wechselseitige Vertrauen.
Den passenden Platz für jedes Puzzleteil finden
Die größte Herausforderung bei unserer alltäglichen Arbeit war und ist die Sprache. Aufgaben müssen so verteilt werden, dass die jeweils Zuständigen sich austauschen können. Es ist im Grunde wie ein Puzzlespiel: Wer harmoniert mit seinen fachlichen und kommunikativen Fähigkeiten mit wem? Am Ende ist es wichtig, dass alle den passenden Platz gefunden haben und die Prüfung effizient und effektiv ablaufen kann.
Verständnis für kulturelle Unterschiede entwickeln
Bei der Kommunikation kommen persönliche und kulturelle Faktoren zusammen. So sind chinesische Kolleg*innen bei Meinungsäußerungen oft eher zurückhaltend – was zu Falschinterpretationen führen kann. Denn während Schweigen in Europa oft als Zustimmung gedeutet wird, kann es in China mitunter das Gegenteil meinen. Damit keine für den Prüfungsprozess folgenreichen Missverständnisse entstehen, müssen kulturelle Besonderheiten wie diese unbedingt beachtet werden. Es braucht demnach ein hohes Maß an Austausch und ein inklusives Umfeld, in das sich alle auf ihre Art und Weise einbringen können. Mit Blick auf dieses Ziel ist es wichtig, den kulturellen Respekt im Team zu fördern. Spielen Ramadan oder das chinesische Neujahrfest für einige der Kollegen eine wichtige Rolle, sollte man das beispielsweise bei der Verfügbarkeit berücksichtigen. Auf der anderen Seite verstehen wir im Team auch, dass man sich in der „Busy Season“ nicht drei Wochen frei nehmen kann, auch dann nicht, wenn ein wichtiges Fest gefeiert wird.
Vorteile der kommunikativen Vielfalt nutzen
Das, was auf der einen Seite schwierig ist und zu Herausforderungen führt, ist auf der anderen Seite der USP (Unique Selling Point) unseres Teams. So arbeiten wir schwerpunktmäßig für Mandanten aus der Automobilindustrie, viele haben einen chinesischen Hintergrund. Oftmals spricht unser*e Ansprechpartner*in im Unternehmen nur Chinesisch. Das ist natürlich kein Problem für unser Team, weil wir ja einen Muttersprachler in den eigenen Reihen haben. Das Gleiche gilt für Kunden aus Frankreich, denn unser marokkanischer Kollege spricht fließend Französisch.
Die Sprache des Kunden bzw. des Mandanten zu sprechen, hat zahlreiche Vorteile. So kann es im Wettbewerb um Aufträge ein Pluspunkt sein, wenn die Kommunikation reibungslos funktioniert. Und auch die spätere Zusammenarbeit mit dem Mandanten verläuft glatter, wenn verbale und kulturelle Faktoren den Prozess nicht behindern. Es spricht aus meiner Sicht daher viel für die Annahme, dass interkulturelle Teams in internationalen Kontexten Effizienzgewinne einstreichen können.
Alle Kollegen in meinem Team verfügen über Expertise in der Wirtschaftsprüfung, welche sie teilweise in ihren Ländern erlangt haben. Mit den International Financial Reporting Standards (IFRS) sind alle vertraut. Wenngleich wir in erster Linie für internationale Mandate arbeiten, haben sich die Kollegen mittlerweile auch die wesentlichen Spezifika der deutschen Rechnungslegung angeeignet. Und doch ist es für sie noch ein weiter Weg zum deutschen Wirtschaftsprüfer. Der Grund ist auch hier die Sprache: Die Examen werden in Deutsch abgehalten, fachliche Expertise allein reicht also nicht.
Internationalen Talenten Perspektiven bieten
Auch wenn das Examen eine große Herausforderung bleibt, unterstützen wir diejenigen, die sich um den deutschen Titel bemühen. Wir wollen internationalen Prüfer*innen bei uns verstärkt Perspektiven bieten. Das ist nicht nur mit Blick auf den Fachkräftemangel wichtig und richtig, sondern erhöht auch die Chancen bei der Vergabe internationaler Mandate. Gleichzeitig empfinden viele Mitarbeiter*innen die kulturelle Vielfalt im Unternehmen als bereichernd. Ich kann ihnen nur zustimmen.
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