Sonstige Informationen: die Peripherie der Abschlussprüfung

Reform & Debatte
7. Juni 2022

Sie stehen nicht im Zentrum der Abschlussprüfung, sondern nur an der Peripherie. Und trotzdem enthalten viele Bestätigungsvermerke einen Abschnitt, der ihren Namen trägt: Die Rede ist von den sogenannten „Sonstigen Informationen“. Wie sind sie definiert? Welche Herausforderungen stellen sie an den Prüfungsprozess? Haben alle Beteiligten das gleiche Verständnis vom Umgang mit Sonstigen Informationen? Oder sollte das Konzept – auch mit Blick auf die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung – noch einmal überdacht werden?

Was sind Sonstige Informationen?

Sonstige Informationen sind im Geschäftsbericht eines Unternehmens enthaltene Darstellungen, die nicht dem Abschluss und Lagebericht – und damit nicht den Gegenständen der Abschlussprüfung – zuzuordnen sind. Auch Verweise aus dem Lagebericht zu an anderer Stelle veröffentlichten Ausführungen bzw. freiwillige und ungeprüfte Ergänzungen des Lageberichts selbst führen zum Vorliegen einer Sonstigen Information. Für Kapitalgesellschaften fallen darunter alle Versicherungen der gesetzlichen Vertreter*innen, in denen die Übereinstimmung der Inhalte von Abschluss und Lagebericht mit einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bezeugt wird.

Die meisten Sonstigen Informationen dürften im Regelfall bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (sogenannten Public Interest Entities, PIEs) vorliegen: PIEs müssen über den (Konzern-)Abschluss und den (Konzern-)Lagebericht hinaus eine Vielzahl weiterer Berichte und Erklärungen veröffentlichen, auf die sie entweder entsprechend verweisen oder die sie im Rahmen eines zusammengefassten Geschäftsberichts publizieren. Als Sonstige Informationen kommen hier beispielsweise der Vergütungsbericht, der nichtfinanzielle Bericht, die Erklärung zur Unternehmensführung und der Bericht des Aufsichtsrats in Betracht.

Welche Verantwortung tragen Abschlussprüfer*innen für Sonstige Informationen?

Der*die Abschlussprüfer*in hat die identifizierten Sonstigen Informationen kritisch zu lesen. Dabei hat er*sie zu würdigen, ob sich Unstimmigkeiten zwischen dem Inhalt der Sonstigen Information und dem Abschluss bzw. Lagebericht ergeben. Auch Unstimmigkeiten zwischen dem Inhalt der Sonstigen Information und den bei der Abschlussprüfung im Allgemeinen gewonnenen Erkenntnissen sind aufzudecken.

Ergeben sich Unstimmigkeiten, ist zu klären, ob und wenn ja in welchen Dokumenten gegebenenfalls falsche oder irreführende Darstellungen enthalten sind. Das Unternehmen hat diese falschen oder irreführenden Darstellungen entsprechend zu korrigieren. Unterbleibt eine entsprechende Korrektur und ist der Fehler wesentlich, kann der*die Abschlussprüfer*in als Ultima Ratio den Bestätigungsvermerk einschränken oder versagen, sofern sich der Fehler auf den Abschluss oder Lagebericht erstreckt. Befindet sich die fehlerhafte oder irreführende Darstellung in der Sonstigen Information, muss der*die Abschlussprüfer*in in geeigneter Weise daraufhin wirken, dass die Nutzer*innen, für die der Bestätigungsvermerk bestimmt ist, über diese Tatsache informiert werden. Denkbar sind auch hier (im Extremfall) eine Anpassung des Testats, eine Berichterstattung an Aufsichtsbehörden oder eine Kommunikation auf der Hauptversammlung des Unternehmens.

Dem*der Abschlussprüfer*in fällt somit bezüglich der Sonstigen Information eine prüferische Funktion zu, ohne eine detaillierte Prüfung vorzunehmen. Der*die Prüfer*in spricht keine Prüfungssicherheit über die Sonstigen Informationen aus, auch nicht in einem lediglich begrenzten Umfang. Er*sie nimmt keine Prüfungshandlungen vor, um den Inhalt der Sonstigen Informationen zu validieren. Er*sie führt lediglich eine Durchsicht aller vorliegenden Sonstigen Informationen durch und gleicht diese mit seinen*ihren Erkenntnissen aus der Abschlussprüfung inklusive der Inhalte von Abschluss und Lagebericht ab.

Wann müssen die Sonstigen Informationen kritisch gelesen werden?

Die Durchsicht der Sonstigen Informationen erfolgt im Rahmen der Abschlussprüfung, und zwar zu einem relativ späten Zeitpunkt. Nur so liegen den Abschlussprüfer*innen bereits alle Erkenntnisse aus der Abschlussprüfung vor, die sie benötigen, um ihrer kritischen Lesepflicht adäquat nachzukommen. Besondere Schwierigkeiten treten auf, wenn (einzelne) Sonstige Informationen erst nach Datum des Bestätigungsvermerks vom Unternehmen erstellt und den Abschlussprüfer*innen zur Verfügung gestellt werden. Dies kann vorkommen, da die (gesetzlichen) Fristen für Sonstige Informationen teilweise später enden als die Fristen zur Veröffentlichung des geprüften Abschlusses. In solchen Fällen hat sich der*die Abschlussprüfer*in im Rahmen seiner*ihrer Vollständigkeitserklärung zur Abschlussprüfung bestätigen zu lassen, dass ihm*ihr die Sonstigen Informationen eingereicht werden, sobald sie finalisiert, aber noch bevor sie veröffentlicht sind. Der*die Abschlussprüfer*in muss die kritische Durchsicht dann nachholen. Werden hierbei Unstimmigkeiten identifiziert, kann es zu einer Nachtragsprüfung kommen.

Passt alles? Oder gibt es Schwachpunkte in diesem Konzept?

Die beruflichen Vorgaben zum Umgang mit Sonstigen Informationen haben sowohl für die Abschlussprüfer*innen als auch für die Adressat*innen von Abschluss und Sonstigen Informationen einige Schwächen. Sie werfen folgende Fragen auf:

Haben alle Beteiligten ein einheitliches Verständnis von der Verantwortung der Abschlussprüfer*innen für die Sonstigen Informationen?

Die Sonstigen Informationen haben einen sehr prominenten Platz im Bestätigungsvermerk. Dort werden sie zwar explizit von der Abschlussprüfung ausgenommen und es wird dargelegt, dass der*die Abschlussprüfer*in hierüber eben kein Prüfungsurteil abgibt. Aber es dürfte durchaus Adressat*innen geben, die nicht richtig verstehen, was der*die Abschlussprüfer*in nun genau mit den Sonstigen Informationen zu tun hat und welche Rolle er*sie dabei spielt. Möglicherweise wird hier eine Prüfungssicherheit suggeriert, die es gar nicht gibt.

Wurden die Sonstigen Informationen ausreichend einheitlich definiert?

Es gibt keine Liste, in der festgelegt ist, dass bestimmte Unterlagen stets Sonstige Informationen darstellen. Stattdessen haben Unternehmen einen gewissen Spielraum, bestimmte Dokumente zu Sonstigen Informationen zu machen (oder eben auch nicht), je nachdem, wo und wie diese Dokumente veröffentlicht werden. Ist der Vergütungsbericht beispielweise bei dem einen Unternehmen eine Sonstige Information, ist er es bei einem anderen ggf. nicht. Das erscheint willkürlich.

Ist die kritische Durchsicht durch die Abschlussprüfer*innen ausreichend?

Von den Sonstigen Informationen sind Dokumente betroffen, die mitunter so wichtig sind (auch in Ergänzung zum Abschluss und Lagebericht), dass eine Prüfung sinnvoll erscheint. Tendenzen dazu zeigen sich bereits in einzelnen Bereichen. So wird mit der geplanten EU-weiten Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung über eine Prüfung mit beschränkter Sicherheit diskutiert.

Was genau soll mit der kritischen Lesepflicht erreicht werden?

Identifiziert der*die Abschlussprüfer*in Unstimmigkeiten zwischen Sonstigen Informationen und dem Abschluss bzw. Lagebericht, hat er*sie keine weitreichenden Befugnisse, um eine entsprechende Korrektur zu veranlassen. Er*sie ist dazu auf die Bereitschaft der Gesellschaft angewiesen. Ohne entsprechende Entbindung von der Verschwiegenheit durch die Gesellschaft kann der*die Abschlussprüfer*in nicht einmal im Bestätigungsvermerk zur Abschlussprüfung über diese Unstimmigkeiten berichten.

Wie effizient ist die Umsetzung?

Eine ordentliche Erfüllung der kritischen Lesepflicht kann nur durch sehr erfahrene und tief in die Abschlussprüfung involvierte Prüfer*innen erfolgen. Die kritische Lesepflicht setzt fundierte Kenntnisse über das Unternehmen voraus. Ein Delegieren an weniger erfahrene Teammitglieder scheidet daher aus. Gleichzeitig ist die kritische Lesepflicht aber nur ein Randgebiet im Rahmen der Abschlussprüfung. Aus Prüfersicht ist das Verhältnis von Aufwand und Nutzen nicht angemessen.

Welche Formalien sind mit der kritischen Durchsicht verbunden?

Insgesamt scheinen die Sonstigen Informationen in der Prüfpraxis vor allem ein Thema der berufsrechtlichen Haftung zu sein. Die kritische Durchsicht der Sonstigen Informationen gehört zwingend dazu. Die Prüfer*innen sind daher im Hintergrund insbesondere damit beschäftigt, die Sonstigen Informationen überhaupt erst einmal vollständig zu identifizieren. Anschließend nehmen sie eine haftungssichere Ablage in den Arbeitspapieren und eine entsprechende Darstellung im Bestätigungsvermerk vor. Ein Schelm, wer den Schluss zieht, dass die Formalien mehr Zeit in Anspruch nehmen als die kritische Durchsicht selbst.

Fazit:

Insgesamt sollten die berufsrechtlichen Entscheidungsträgerinnen noch einmal überdenken, ob das Konzept der Sonstigen Informationen in heutiger Form sinnvoll ist. Tatsächlich bleiben einige Fragen offen: Deckt es die Ansprüche der Adressatinnen adäquat ab? Ist der Prozess effizient gestaltet? Ist der Nutzen für alle Beteiligten größer als der Aufwand?


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