
Syndikus-Wirtschaftsprüfer: Bindung durch Freiheit
Seit Jahrzehnten diskutiert. Durch Koalitionsbruch verhindert. Jetzt erneut in der Schwebe: Die Rede ist vom Syndikus-Wirtschaftsprüfer. Ein Gesetzesentwurf dazu liegt vor, die Kritik daran ebenso. Aus Sicht der Branche müssen vor allem zwei Punkte nachgebessert werden.
Die Bestellung zum*zur Wirtschaftsprüfer*in gleicht einer Eheschließung: Beide streben eine langfristige Bindung an. Und hier wie da kann eine vorzeitige oder auch nur vorübergehende Aufkündigung des Bundes mit erheblichen finanziellen Einbußen und Statusverlust einhergehen. Um das zu verhindern, müssen Wirtschaftsprüfer*innen der Branche über ihre gesamte Lebensarbeitszeit hinweg die Treue halten. Eine Umorientierung sieht das Berufsrecht nicht vor. Wer dennoch eigene Wege gehen will, riskiert viel: Es drohen der Verlust des hart erkämpften Titels und Einbußen bei der Altersversorgung. Ändern könnte das eine Reform des Berufsrechts für Wirtschaftsprüfer*innen.
Die Chance dazu war zum Greifen nah: Noch im Frühjahr dieses Jahres hatte die Regierung Scholz einen ernstzunehmenden Anlauf unternommen, um für Wirtschaftsprüfer*innen eine sogenannte Syndikus-Betätigung zuzulassen – in Analogie zu den bestehenden Regelungen für Steuerberater*innen und Rechtsanwält*innen. Der Syndikus-Wirtschaftsprüfer hätte den Beruf geöffnet und es Prüfer*innen ermöglicht, Tätigkeiten auch auf anderen Wirtschaftsfeldern auszuüben – und dabei weiterhin ihren Titel zu führen. Der Traum von mehr Flexibilität im Job – er hätte doch noch Wirklichkeit werden können. Und er war in greifbarer Nähe: Es lag bereits ein Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Berufsrechts vor. Doch dann zerbrach die fragile Ampel-Koalition – zur finalen Abstimmung über das Syndikus-Gesetz kam es nicht mehr.
Nicht ohne meinen Titel: Kaum Chancen auf Jobwechsel für Prüfer*innen
Wie die neue, von Friedrich Merz geführte Regierung mit der legislativen Hinterlassenschaft aus der Ära Scholz umgehen wird, ist noch nicht geklärt. Bis es so weit ist, dürften berufliche Neuorientierungen in der Prüfungsbranche die absolute Ausnahme bleiben. Denn die meisten Wirtschaftsprüfer*innen haben einen hohen Preis für ihren Titel gezahlt. Geld, Zeit und jede Menge Energie sind notwendig, um eine der schwierigsten Berufsprüfungen überhaupt zu bestehen – das Wirtschaftsprüfungsexamen. Die Aufgabe des damit verbundenen Titels steht für die meisten Prüfer*innen daher nicht zur Diskussion. Für diejenigen, die mit einem beruflichen Neuanfang oder auch nur einer Veränderung liebäugeln, bedeutet das: aus der Traum vom Job in der Industrie, im Handel oder in der Finanzwirtschaft. Einmal Wirtschaftsprüfer*in, immer Wirtschaftsprüfer*in.
Einschränkungen der beruflichen Selbstbestimmtheit gehen oftmals mit Frustration und Gefühlen der Desillusionierung einher. Vergessen wird dabei oft, dass der Beruf des*der Wirtschaftsprüfer*in einer der vielseitigsten überhaupt ist und zahlreiche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet. Doch ist es in der Wirtschaftsprüfungsbranche eben kaum anders als in anderen Ehen auch: Umso besitzergreifender der*die Partner*in empfunden wird, desto stärker wächst der Drang nach Freiheit.
Sinkende Bereitschaft für lebenslange Commitments
Die Zahl der Eheschließungen ist in Deutschland seit Jahren rückläufig. Offenbar sinkt die Bereitschaft der Bürger*innen, sich für den Rest des Lebens festzulegen. Das dürfte bei der Berufswahl nicht anders sein. Kann man vor diesem Hintergrund erwarten, dass sich junge Menschen dazu verpflichten, ihr Leben lang ein und denselben Job auszuüben? Wirtschaftsprüfer*in sein – ein Leben lang? Diese Gleichung scheint für viele Talente, die mit dem Berufsfeld liebäugeln, nicht mehr aufzugehen. Im Zweifelsfall entscheiden sie sich daher gegen das fordernde Examen. Das Ergebnis: Der Berufsstand leidet unter Nachwuchsmangel – daran haben auch Erleichterungen im Examensprozess nichts Strukturelles geändert.
Auch deshalb stellt die verpasste Chance zur Reformierung des Berufsrechts einen Rückschlag für die Branche dar. Sie ruft seit vielen Jahren nach einer Syndikus-Regelung, die übrigens auch international keinesfalls unüblich ist. Es geht dabei um mehr als um die berufliche Selbstverwirklichung einiger erfahrener Prüfer*innen. Viele sehen in der Einführung des Syndikus auch die Möglichkeit, einige strukturelle Probleme zu lösen – allen voran den Fachkräftemangel. Das Kalkül: Die neuen Freiheiten bei der Gestaltung der eigenen Karriere könnten das Zünglein an der Waage bei der Berufswahl sein. Sicherlich würden die neuen Möglichkeiten, die mit dem Syndikus verbunden sind, viele junge Talente dazu bewegen, das Wirtschaftsprüfungsexamen abzulegen. Und das trotz der damit verbundenen Mühe – eben weil sich die Anstrengung dann mehr lohnt. Aus der neuen Freiheit würde neue Bindung.
Berufsverband fordert Nachbesserung beim Ampel-Gesetz
Auch das Institut Deutscher Wirtschaftsprüfer (IDW) als Interessenvertretung des Berufsstands hat die Einführung des Syndikus grundsätzlich begrüßt. Allerdings sieht das IDW bei dem Gesetzesentwurf der Ampel-Regierung noch deutlichen Optimierungsbedarf. Es sind vor allem zwei Bestimmungen, die aus Sicht des Verbands in die falsche Richtung gehen.
Die IDW-Kritik entzündet sich zum einen an dem im Entwurf festgeschriebenen Verbot für Syndikus-Wirtschaftsprüfer*innen, das zu tun, was sie eigentlich am besten können: nämlich auch weiterhin maßgeblich an Abschlussprüfungen mitzuwirken. Offenbar haben sich die Gesetzgeber*innen bei der Formulierung dieser Regel von der Sorge leiten lassen, es könne hierbei zu Interessenskonflikten kommen. Doch das einzige plausible Szenario für einen solchen Fall entstünde im Grunde dann, wenn ein*e Syndikus*Syndika den Abschluss des eigenen Arbeitgebers auditieren wollte. Eine solche Praxis wäre natürlich nicht statthaft – niemand würde Einwände dagegen erheben, sie durch gesetzliche Regeln auszuschließen. Doch ein solches Verbot pauschal auf eine prüferische Tätigkeit für andere (potenzielle) Mandanten auszuweiten, erscheint zu weit gegriffen. Ein grundsätzliches Prüfungsverbot beschneidet den*die Syndikus*Syndika in dem Wunsch, trotz einer Anstellung bei einem Arbeitgeber in einer prüfungsfernen Branche seinen*ihren Berufstitel nicht nur symbolisch zu behalten.
Den zweiten Kritikpunkt teilt das IDW auch mit dem Bundesrat. So haben Vertreter*innen der zweiten parlamentarischen Kammer moniert, dass das Gesetz keine Vorkehrungen enthalte, um eine doppelte Zwangsmitgliedschaft der Syndikus-Wirtschaftsprüfer*innen in der deutschen Rentenversicherung einerseits und dem Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer*innen andererseits auszuschließen. Um das Problem zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass die Rentenabsicherung der Wirtschaftsprüfer*innen verpflichtend über das berufsständische Versorgungswerk erfolgt – von Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung sind die Prüfer*innen damit befreit. Arbeiten Syndikus-Wirtschaftsprüfer*innen jedoch in einem neuen, gewerblichen Umfeld, könnte die deutsche Rentenversicherung möglicherweise auf die Idee kommen, auch von den Prüfer*innen Beitragszahlungen einfordern.
Die Regelung zur Altersvorsorge trägt zur Attraktivität des Berufs bei – für junge Menschen stellt sie oftmals einen der wesentlichen Gründe dar, eine Karriere als Wirtschaftsprüfer*in zu verfolgen. Die ungeklärte rechtliche Lage bei der Altersvorsorge könnte talentierte Nachwuchskräfte hingegen verunsichern. Der Gesetzgeber ist daher aufgerufen, den Gesetzestext nachzubessern und so die nötige Rechtssicherheit für die Berufstätigen herzustellen. Ein Syndikus, über dem das Damoklesschwert doppelter Rentenzahlungen schwebt, stellt kein ernstzunehmendes Angebot für Wirtschaftsprüfer*innen dar.
Fazit: Regierung sollte Gesetzesentwurf nachschärfen – und umsetzen
Die Einführung des Syndikus würde für mehr Flexibilität bei der individuellen Karriereplanung von Wirtschaftsprüfer*innen sorgen und junge Talente wieder stärker für den Beruf begeistern. Unklar ist, ob die neue Bundesregierung die Initiative der Ampel-Koalition fortführen wird. Entscheidet sie sich dafür – was zu begrüßen wäre –, sollte sie ihre Sache aber richtig machen. Nur wenn die Kritik aus der Branche gehört und der Gesetzesentwurf entsprechend nachgeschärft wird, kann von einer echten Reform die Rede sein. Nur dann kann aus Freiheit Bindung werden.
Für weitere Themen rund um die Wirtschaftsprüfung und Forvis Mazars folgen Sie uns auch auf LinkedIn.
Kommentare