Änderungen im Deutschen Corporate Governance Kodex

Reform & Debatte
20. Dezember 2022

Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) enthält Grundsätze, Empfehlungen und Anregungen zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften. Am 27. Juni 2022 wurde die neue Fassung des DCGK im Bundesanzeiger bekannt gegeben. Die Überarbeitung bringt zahlreiche neue Empfehlungen für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung. Im Kodex sind diese Empfehlungen durch das Wort „soll“ gekennzeichnet. Die Gesellschaften können davon abweichen, müssen die Nichtbeachtung allerdings in einer Entsprechenserklärung offenlegen und die Abweichungen auch begründen („comply or explain“).

Empfehlungen im Kontext der Nachhaltigkeit

Die Kodexreform zielt wesentlich darauf ab, Nachhaltigkeitsaspekte umfassender und verbindlicher in der Corporate Governance zu implementieren. Bei der Leitung und Überwachung börsennotierter Unternehmen sollen ökologische und soziale Anforderungen noch stärker berücksichtigt werden. Damit greift der DCGK (2022) die jüngsten Regulierungsinitiativen im Nachhaltigkeitsbereich auf (CSRD, EU‑Taxonomie) und erhöht den Druck auf Unternehmen zur nachhaltigen Unternehmensführung.

Der DCGK stellt dabei neue Anforderung an den Vorstand. Dieser hat gemäß § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. Dabei soll der Vorstand die mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen für das Unternehmen sowie dessen Auswirkungen auf die Unternehmenstätigkeit identifizieren und bewerten. Nach Auffassung der Regierungskommission DCGK bedingen sich wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele langfristig häufig gegenseitig und sollen deshalb in der Unternehmensstrategie auch berücksichtigt werden. Der Kodex empfiehlt zudem, nachhaltigkeitsbezogene Ziele auch im Internen Kontrollsystem (IKS) und im Risikomanagementsystem (RMS) zu berücksichtigen, da die gesetzlichen Vorschriften zur nachhaltigen Unternehmensführung künftig ohne entsprechende systemseitige Voraussetzungen kaum erfüllt werden können.

Der DCGK stellt auch neue Anforderungen an den Aufsichtsrat. Dieser hat aufgrund gesetzlicher Vorschriften die (nachhaltige) Unternehmensführung zu überwachen und auch die finanzielle sowie nicht finanzielle Berichterstattung zu prüfen. Zur sorgfältigen Ausübung der Überwachungsfunktion benötigen die Mitglieder des Aufsichtsrats zunehmend auch Expertise im Nachhaltigkeitsbereich. Der DCGK spricht deshalb zwei neue Empfehlungen aus, die das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats und des Prüfungsausschusses entsprechend erweitern. So soll der Aufsichtsrat auch Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen besitzen und der Prüfungsausschuss Sachverstand in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und deren Prüfung aufweisen.


Empfehlungen für den Prüfungsausschuss

Nach § 107 Abs. 4 Satz 1 AktG sind Unternehmen von öffentlichem Interesse verpflichtet, einen Prüfungsausschuss einzurichten. Mindestens ein Mitglied des Prüfungsausschusses muss über Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet der Abschlussprüfung verfügen (§ 100 Abs. 5 AktG i. V. m. § 107 Abs. 4 Satz 3 AktG). Beide Vorschriften wurden im Zuge des Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes (FISG) neu in das Aktiengesetz integriert.

Der DCGK verschärft die Anforderung an den Prüfungsausschuss noch weiter. Während die aktienrechtlichen Vorschriften „Sachverstand“ auf den Gebieten der Rechnungslegung und Abschlussprüfung fordern, empfiehlt der DCGK hingegen „besondere Kenntnisse und Erfahrungen“ in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen, internen Kontrollverfahren und in der Abschlussprüfung. Dies setzt eine eigene praktische Tätigkeit auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung voraus. Ferner soll der*die Vorsitzende des Prüfungsausschusses aufgrund seiner*ihrer besonderen Stellung einer*eine der beiden Sachverständigen sein, also selbst besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung haben.

Der DCGK enthält zudem neue Empfehlungen für die Zusammenarbeit des Prüfungsausschusses mit dem*der Abschlussprüfer*in. Diese „Best Practices“ sollen für eine umfassendere und intensivere Zusammenarbeit zwischen den beiden Akteuren sorgen. Der Prüfungsausschuss soll künftig insbesondere mit dem Abschlussprüfer die Einschätzung des Prüfungsrisikos, die Prüfungsstrategie und Prüfungsplanung sowie die Prüfungsergebnisse diskutieren. Zudem sollen Prüfungsausschuss und Abschlussprüfer regelmäßig auch ohne Vorstand beraten und der Vorsitzende des Prüfungsausschusses regelmäßig mit dem Abschlussprüfer zum Fortgang der Prüfung im Austausch stehen.


Empfehlungen für den Aufsichtsrat

Der Aufsichtsrat setzt sich aus Vertreter*innen der Aktionäre und gegebenenfalls Vertreter*innen der Arbeitnehmer zusammen. Für seine Zusammensetzung soll der Aufsichtsrat konkrete Ziele benennen und ein Kompetenzprofil für das Gesamtgremium erarbeiten. Die neuen Empfehlungen des DCGK sehen nun vor, dass dieses Kompetenzprofil auch Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen enthalten soll (siehe oben). Der Aufsichtsrat soll zudem den Stand der Umsetzung des Kompetenzprofils in Form einer Qualifikationsmatrix beschreiben und in der Erklärung zur Unternehmensführung offenlegen. Eine solche Beschreibung erlaubt Aktionär*innen und weiteren Stakeholdern, die fachliche Kompetenz des Aufsichtsrats besser zu beurteilen.


Empfehlungen in Bezug auf Corporate-Governance-Systeme

Der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft hat gemäß § 91 Abs. 3 AktG ein angemessenes sowie wirksames Internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem einzurichten. Der DCGK empfiehlt, die wesentlichen Merkmale der gesamten Systeme im Lagebericht zu beschreiben. Zusätzlich soll zur Angemessenheit und Wirksamkeit Stellung genommen werden. Diese Angaben sind weder gesetzlich vorgeschrieben noch vom Deutschen Rechnungslegungs Standard DRS 20 gefordert. Sie stellen insofern lageberichtsfremde Angaben dar, die von der inhaltlichen Prüfung des Lageberichts durch den Abschlussprüfer ausgenommen sind, wenn sie eindeutig von den inhaltlich zu prüfenden Angaben abgegrenzt und als nicht geprüft gekennzeichnet sind. Die IDW Fachgremien haben sich jüngst dazu entschlossen, einen Prüfungsstandard zu entwickeln, der sich mit der Behandlung dieser neuen Lageberichtsangaben im Rahmen der Abschlussprüfung befasst.


Fazit

Mit der Kodexreform wurde die hohe Bedeutung einer nachhaltigen Unternehmensführung in allen Bereichen des DCGK hervorgehoben. So enthält der Kodex beispielsweise neue Empfehlungen zur Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit bei der Leitung und Überwachung börsennotierter Unternehmen. Außerdem musste der Kodex an das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität und an das Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) angepasst werden. Diese Gesetzesänderungen resultierten u. a. in neuen Empfehlungen zur Einrichtung und Besetzung von Prüfungsausschüssen sowie in Bezug auf die Ausgestaltung von Corporate-Governance-Systemen.

Die neuen Empfehlungen sind insbesondere für den zukunftsgerichteten Teil der nun abzugebenden Entsprechenserklärungen relevant. Vorstand und Aufsichtsrat haben zu erklären, dass den Empfehlungen künftig entsprochen wird bzw. welche Empfehlungen künftig nicht angewendet werden und warum nicht. Die Abgabe einer Positiverklärung erfordert eine Gesamtentscheidung über die Befolgungsabsicht unter den Adressaten der Empfehlungen noch vor Abgabe der Entsprechenserklärung sowie die organisatorische Umsetzung zeitnah nach Abgabe der Entsprechenserklärung. Insbesondere die Integration der Nachhaltigkeitsaspekte in die Corporate-Governance-Systeme und bei den -Akteuren wird Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Daher sollten sie sich mit den Empfehlungen des DCGK eingehend befassen.


Lesen Sie dazu auch den Blog-Beitrag „Im Prüfungsausschuss sind neue Kompetenzen gefragt“ von Dr. Jonas van Elten und Darius Klaus Kraft.


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