Alles aus einer Hand: Schulterschluss von Prüfung und Beratung?
Alle großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WPG) bieten ihren Mandant*innen neben dem Kerngeschäft auch Strategie- und Transaktionsberatungen an. Für die Unternehmen kann sich die Kombination von Audit und Beratung auszahlen, lassen sich so doch bedeutende Synergien erzielen. Bei der Zusammenarbeit müssen aber auch Grenzen beachtet werden.
Dass immer mehr Unternehmen die Synergien erkennen, die sich durch eine Beratung von Wirtschaftsprüfer*innen realisieren lassen, spiegelt sich nicht zuletzt in den Umsätzen der WPG wider. So liegt der Umsatzanteil vieler großer WPG im Bereich „Advisory“ bereits über dem, der auf das Kerngeschäft des „Audit“ entfällt. Doch warum lassen sich mehr und mehr Unternehmen von Wirtschaftsprüfer*innen bei der Strategie- und Transaktionsberatung unterstützen? Und in welchen Phasen der Beratung ist der Einsatz von WPG-Berater*innen besonders hilfreich?
Die typischen Anforderungen an Strategie- und Transaktionsberatungen
Strategie- und Transaktionsberatungen laufen in der Regel in zwei Hauptphasen ab. Die Kernanforderung der ersten Phase (Konzeptphase) besteht zumeist darin, Handlungsempfehlungen und Lösungskonzepte für ein Unternehmen oder einen Geschäftsbereich auf ein übergeordnetes Ziel hin zu entwickeln. Hierbei geht es um das Erreichen mittel- und langfristiger finanzieller, operativer und strategischer Ziele – sei es durch organische oder anorganische Veränderungen. In der nächsten Phase (Planungsphase) folgt in der Regel die Planung von übergeordneten Meilensteinen und Abhängigkeiten sowie die Detailplanung funktionaler Aktivitäten durch gemischte Projektteams von Mitarbeiter*innen des Mandanten und des Beratungsunternehmens. Diese setzen die Empfehlungen aus Phase Eins in ein Lösungskonzept um und leiten nachfolgend die Implementierung ein.
Phase 1: Wirtschaftsprüfer*innen sorgen für Effizienz und valide Daten
Der erste Arbeitsauftrag in der Konzeptphase ist es zumeist, die aktuelle Situation transparent und strukturiert darzustellen. Gesprochen wird in diesem Zusammenhang oft von einem „As-is-Blueprint“: Einer Darstellung des Ist-Zustands des Unternehmens oder eines Teilbereichs, die dann als Ausgangspunkt für die Planung von Veränderungen oder Verbesserungen dient. Wichtige Referenzpunkte ergeben sich in diesem Zusammenhang durch Kosten- und Mitarbeiterstrukturen, sogenannte „Baselines“, sowie durch Wertschöpfungsanalysen, die sich auf die Erhebung von Detailinformationen in Workshops und Experteninterviews stützen. Das Verfahren erinnert an eine Due-Diligence-Prüfung, bei der Berater*innen Vermögenswerte, operative Prozesse, technische Infrastruktur, Mitarbeiterstruktur und Kundenbeziehungen im Vorfeld von Fusionen oder Übernahmen kontrollieren. Hier wie dort besteht das Hauptziel der Analyse darin, potenzielle Risiken, Chancen, Stärken und Schwächen des Unternehmens zu identifizieren, um auf dieser Basis fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Schon bei der Erstellung der Ist-Analyse zeigt sich der Vorteil, der für ein Unternehmen darin liegt, Beratungsaufträge an die WPG zu vergeben, die im eigenen Haus auch bereits den*die Abschlussprüfer*in stellt. Denn durch das vorangegangene Audit wissen die Teams der WPG natürlich genau, welche Finanzdaten für welche Bereiche vorliegen und wo diese zu finden sind. Die so erzielten Effizienzgewinne stellen wesentliche Faktoren für den Projekterfolg dar – insbesondere, wenn es um Reorganisationen, Kostensenkungen und Transaktionen wie etwa Desinvestitionen und Akquisitionen geht.
Ein weiterer Pluspunkt für die WPG-Berater*innen ist die hohe Daten- und Informationsqualität, welche die Unternehmen in der Zusammenarbeit mit ihnen erzielen können – nicht zuletzt auch durch ihre Konsistenz mit den Bilanzdaten: Vorstände und Führungskräfte treffen ihre Entscheidungen so insbesondere während der Konzeptphase auf einer deutlich valideren Basis.
Phase 2: Wirtschaftsprüfer*innen erkennen Projektrisiken oft als Erste
Für den Erfolg des Projekts in der Planungsphase ist es wichtig, dass die Verantwortlichen die Projektrisiken und -abhängigkeiten möglichst frühzeitig identifizieren. Um den Risiken wirksam vorzubeugen, sollten sie im Anschluss Deeskalationsmechanismen definieren und Umgehungslösungen erarbeiten. Der Einsatz von Wirtschaftsprüfer*innen kann auch hier sinnvoll sein. So erkennen diese durch ihren geschulten Blick für die Details oft als Erste, wo finanzielle Abhängigkeiten und Risiken das Projekt gefährden könnten – auch hier insbesondere bei der Vorbereitung von Desinvestitionen und Zukäufen.
Entscheidet sich der Mandant während der Planungsphase, eine*n Wirtschaftsprüfer*in als Sparringspartner*in zu involvieren, sollte er deren*dessen Rolle im Projektmanagement-Office vorab genau definieren. Auf diese Weise sind die Verantwortlichkeiten festgelegt, Reibungsverluste werden minimiert, und der*die Wirtschaftsprüfer*in kann seine*ihre Expertise sachgerecht einbringen.
Grenzen der Beratung: Entscheidungen treffen allein die Mandant*innen
Strategieberater*innen verstehen sich in aller Regel als unabhängige, externe Berater*innen. Unabhängig davon, ob sie aus einem klassischen Beratungshaus kommen oder aus einer WPG, grenzen sie sich damit von Interimsmanager*innen ab und legen Wert auf ihre originäre Beratungsdienstleistung. Dieses Selbstverständnis passt somit sehr gut zu den verschärften gesetzlichen Anforderungen für Wirtschaftsprüfer*innen. Denn diese legen fest, dass Entscheidungen in einem Unternehmen niemals von einem*einer Berater*in getroffen werden dürfen, wenn der*die Abschlussprüfer*in aus dem gleichen Haus stammt wie ebendiese*r Berater*in. Der*die Berater*in kann in diesem Fall zwar Alternativen aufzeigen und Informationen dazu ausarbeiten; die eigentliche Entscheidung muss jedoch stets beim Unternehmen verbleiben. Keinesfalls darf auch nur der Eindruck entstehen, dass die WPG, die den*die Abschlussprüfer*in stellt, an der Unternehmensentscheidung beteiligt war.
Der Grund für diese strikte Vorgabe liegt in den hohen gesetzlichen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Abschlussprüfer*innen. Sie sehen vor, dass stets im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine WPG Bestandteile der Strategie- und Transaktionsberatung bei einem Unternehmen erbringen darf, dessen Abschlussprüfungs-Mandat sie bereits hält. Lohnenswert ist eine solche Prüfung allemal. Denn solange die Unabhängigkeit der Abschlussprüfung durch die Beratung nicht gefährdet wird, profitieren Unternehmen von Synergien, die sich zwischen Prüfung und Beratung ergeben.
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