ESRS: Was bedeuten die finalen Standards für Unternehmen?

Werte & Vision
20. November 2023

Eine nachhaltige Unternehmensführung wird immer wichtiger – und damit die Bedeutung des Themas bei der Berichterstattung. Für Standardisierung sorgen hierbei die Sustainability Reporting Standards (ESRS), welche das EU-Parlament jetzt final verabschiedet hat. Wir zeigen, was sich ändert und was auf Wirtschaftsprüfer*innen zukommt.

Unternehmen sollen zukünftig neben ihrer Finanzberichterstattung auch über die Einhaltung und Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen berichten. Hierzu hat die EU-Kommission im Januar 2023 die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) als Richtlinie erlassen. Um für Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit zu sorgen, soll die Berichterstattung auf der Basis festgelegter Standards erfolgen: Den European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Im Rahmen einer delegierten Verordnung hat die Kommission die neuen Berichtsstandards am 31. Juli 2023 in ihrer finalen Fassung von dem Fachgremium, der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), angenommen und dem Europäischen Parlament zur Prüfung vorgelegt. Die Frist für Einsprüche ist mittlerweile verstrichen, was bedeutet, dass die Weichen für eine endgültige Verabschiedung der ESRS gestellt sind. Die ESRS umfassen insgesamt zwölf sektorübergreifende Standards: Zwei Querschnitt-Standards, fünf Standards zu Umweltthemen, vier Standards zu sozialen Fragen und einen Governance-Standard. 

ESRS könnten für Abschlussprüfer*innen noch einmal interessant werden

Wirtschaftsprüfer*innen dürften die Entwicklung aus zweierlei Gründen mit Interesse verfolgen. Der erste Grund ergibt sich aus dem Interesse der Unternehmen, ihren CSRD-Bericht prüfsicher zu erstellen. Es liegt deshalb nahe, dass sie Berichtsteile, Methodiken oder Auslegungen mit dem*der Abschlussprüfer*in „durchsprechen“ wollen. Hierbei ist allerdings Zurückhaltung angesagt, gilt es für Prüfer*innen doch, mögliche Interessenskonflikte zu beachten. Sie sollten somit nicht beratend eingreifen und selbst auch keine Analyse oder Implementierung durchführen. Zum zweiten wird die nichtfinanzielle Berichterstattung auch inhaltlich Gegenstand der Prüfung werden. Auch wenn aktuell noch nicht klar ist, ob der*die Abschlussprüfer*in selbst diese Prüfung vornehmen wird oder jemand anderes: Sicher ist schon jetzt, dass die Prüfung zunächst „nur“ mit begrenzter Sicherheit (Limited Assurance) erfolgen wird. Im Hinblick auf die zu prüfenden Unterlagen, Systeme und Auslegung der Richtlinien stellt die Prüfung mit begrenzter Sicherheit keine wirkliche Erleichterung dar. Orientierung geben aber die final verabschiedeten ESRS: Sie legen fest, wie und was Unternehmen zu ihren Nachhaltigkeitsthemen berichten müssen, also was somit Gegenstand der Prüfung sein wird. Die nunmehr finale Fassung des ESRS Set 1 gibt somit Rechtssicherheit sowohl für Unternehmen als auch für Prüfer*innen. Letztere können auf dieser Basis nun Prüfprozesse und Strukturen aufbauen.

Was hat sich also bei der finalen Fassung der ESRS im Vergleich zu den bisherigen Entwürfen geändert (eine inhaltliche Übersicht zu den bisherigen Entwürfen finden Sie hier)?

  • Wesentlichkeitsanalyse und Begründungspflichten:

Alle themenspezifischen Standards sowie alle Angabepflichten und Datenpunkte unterliegen nun der Wesentlichkeitsanalyse des Unternehmens. Ausnahmen sind die im ESRS 2 – Allgemeine Angaben – festgelegten Angabepflichten. Im Rahmen dieser Wesentlichkeitsanalyse beurteilen die Unternehmen, welche Nachhaltigkeitsthemen für sie von Bedeutung sind und welche nicht. Hierbei gilt das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit, also die Betrachtung von Auswirkungen des Klimas auf ein Unternehmen (Outside-in) sowie die Betrachtung der Auswirkungen des Unternehmens auf das Klima (Inside-out). Nur wenn die Unternehmen ein Thema als wesentlich einstufen, müssen sie darüber auf der Basis der ESRS-Standards berichten.

Die Unternehmen müssen hierbei offenlegen, wenn sie bestimmte, durch die CSRD vorgeschriebene Datenpunkte als „nicht wesentlich“ einstufen. Sie sind in diesem Zusammenhang verpflichtet, eine Tabelle bereitzustellen, in der sie aufzeigen, wo diese Punkte in ihrer Nachhaltigkeitserklärung zu finden sind. Diese Anforderungen sollen es Finanzakteuren erleichtern, ihren eigenen Offenlegungspflichten nachzukommen. 

Kommt ein Unternehmen zu dem Schluss, dass Angaben zum „ESRS E1 – Klimawandel“ unwesentlich sind, muss es hierzu detaillierte Erläuterungen und Begründungen angeben. Dem themenspezifischen Standard kommt eine besondere Bedeutung zu, da er sich auf Indikatoren bezieht, die im engeren Sinne klimarelevant sind. Aus diesem Grund ist hier eine besondere Stellungnahme erforderlich.

  • Angleichung an andere globale Normungsinitiativen:

Das Konzept der finanziellen Wesentlichkeit wurde an die Konzeption des International Sustainability Standards Board (ISSB) und der Global Reporting Initiative (GRI) angeglichen, um eine Harmonie mit bereits bestehenden freiwilligen Standards herbeizuführen. Unternehmen, die bereits nach GRI-Standards berichten, sind aufgrund der hohen Interoperabilität gut vorbereitet. Sie können weitestgehend eine doppelte Berichterstattung vermeiden und mit den GRI-Standards die Berichterstattung nach ESRS um nicht abgedeckte Themen in einem gemeinsamen Bericht erweitern.

  • Übergangsfristen für kleinere und größere Unternehmen:

In der finalen ESRS-Fassung sind zusätzliche Übergangsfristen für bestimmte Berichtsangaben vorgesehen. Auf diese Weise soll die Berichterstattung für alle Unternehmen erleichtert werden, insbesondere sollen aber kleinere Unternehmen profitieren, die erstmals über das Thema Nachhaltigkeit berichten.

Im ersten Anwendungsjahr der ESRS können somit alle Unternehmen auf zahlreiche Angaben verzichten. Hierzu zählen die erwarteten finanziellen Auswirkungen im Zusammenhang mit nicht klimabezogenen Umweltproblemen, insbesondere zu den Themen Umweltverschmutzung, Wasser, biologische Vielfalt und Ressourcennutzung. Auch die Angabe bestimmter Datenpunkte in Bezug auf die Belegschaft kann zunächst entfallen. Das betrifft die Bereiche Sozialschutz, Menschen mit Behinderungen, arbeitsbedingte Erkrankungen und Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben.

Zusätzliche Erleichterung gibt es für Unternehmen mit weniger als 750 Beschäftigten. Diese können im ersten Anwendungsjahr von Angaben zu Scope-3-Treibhausgasemissionen und zu den restlichen Datenpunkten zur eigenen Belegschaft (ESRS S1) absehen. Außerdem können sie in den ersten beiden Jahren, in denen sie die Standards anwenden, auf Angaben zur biologischen Vielfalt und Ökosystemen (ESRS E4), zu Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette (ESRS S2), betroffenen Gemeinschaften (ESRS S3) sowie zu Verbrauchern und Endnutzern (ESRS S4) verzichten.

  • Freiwillige Datenpunkte und mehr Flexibilität:

Die Kommission hat weitere zuvor obligatorische Angaben als freiwillig eingestuft. Es handelt sich dabei um Angaben hinsichtlich Biodiversitätsübergangspläne, bestimmte Indikatoren für „nicht angestellte Beschäftigte“ und eine Erklärung der Unwesentlichkeit bestimmter Nachhaltigkeitsaspekte. Zusätzliche Flexibilität wird bei einigen vorgeschriebenen Datenpunkten gewährt. Hierbei handelt es sich um Angaben zu den finanziellen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken, zur Zusammenarbeit mit Interessenträgern, über die Bewertungsmethodik der Wesentlichkeit und Angaben über Korruption, Bestechung und dem Schutz von Hinweisgebern.

  • Kohärenz mit dem EU-Rechtsrahmen:

Technische Anpassungen zur Verbesserung der Übereinstimmung mit anderen Vorschriften der Rechnungslegungsrichtlinie und anderen relevanten Rechtsvorschriften. Ein Beispiel ist die Anpassung der Richtlinie über Lohntransparenz und das Europäische Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister, um die Kohärenz mit dem EU-Rechtsrahmen zu gewährleisten. Dies soll den Unternehmen die korrekte Anwendung der Standards erleichtern.

  • Änderungen auf redaktioneller und konzeptioneller Ebene:

Die Kommission hat Änderungen sowohl auf redaktioneller als auch auf konzeptioneller Ebene durchgeführt, um die Verständlichkeit, Anwendbarkeit und Kohärenz der Standards zu erhöhen. So stellt sie ein Glossar zur Verfügung, das klare Definitionen für alle Begriffe liefert, für die die ESRS eine genaue Definition vorsieht.

Bedeutung für bisherige ESRS-Projekte in Unternehmen 

Was bedeutet die Finalisierung der ESRS nun für die Unternehmen, die bereits CSRD-/ESRS- Reporting-Projekte umgesetzt haben oder aktuell in der Durchführung sind? Grundlage für viele dieser Projekte dürfte der Stand der ESRS vom November 2022 sein – müssen die Projekte jetzt mit Blick auf die Neuregelungen erneut gestartet werden? Hier kann glücklicherweise Entwarnung gegeben werden – eine Neuausrichtung sieht die Kommission nicht vor. Allerdings empfiehlt es sich, die bisherigen Ergebnisse mit den veränderten Anforderungen abzugleichen. Dazu gehört als zentraler Aspekt die Wesentlichkeitsanalyse. Auch im Hinblick auf die angeführten Erleichterungen und Übergangsregelungen kann ein Abgleich nützlich sein und gegebenenfalls Zeit und Budget der Unternehmen schonen. 

Next steps: Wann treten die ESRS wirklich in Kraft?

Nach der öffentlichen Konsultationsphase mit mehr als 600 Rückmeldungen wurden die ESRS angepasst und durch die Europäische Kommission am 31. Juli 2023 offiziell verabschiedet. Erstmalig anzuwenden sind die ESRS dann von Unternehmen, die der CSRD unterliegen, ab dem 1. Januar 2024 für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2024 beginnen. Da die CSRD eine Europäische Richtlinie darstellt, müssen die EU-Staaten sie zunächst in nationales Recht überführen – entsprechende Umsetzungen sind in einigen Mitgliedsländern aber noch ausstehend. 

Ergänzend zum Set 1 der ESRS soll die beauftragte EFRAG weitere sektorspezifische Standards (Set 2) entwickeln. Die Entwürfe der ersten sektorspezifischen Standards für Finanzinstitute (Banken, Versicherungen und Kapitalmärkte) stehen bei der EFRAG ganz oben auf der Prioritätenliste und sollen bereits 2024 vorgestellt werden. Die Konsultation zu den Entwürfen wird somit voraussichtlich 2025 erfolgen. Alle weiteren sektorspezifischen Standards werden aktuell erst für 2026 erwartet. Damit bleibt das regulatorische Umfeld weiterhin spannend, und es empfiehlt sich ein gutes Monitoring. Zusammenfassend kann man sagen, dass die finalen ESRS Set 1 den Unternehmen etwas mehr Sicherheit in Bezug auf die Anforderungen an die nichtfinanzielle Berichterstattung geben. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Vorgaben und Konkretisierungen die sektorspezifischen Standards (Set 2) bringen.


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