Joint-Audit-Serie, Teil 4: Erfahrungen in Österreich
Wie sollen die Berichterstattung und die Prüfung von Unternehmen künftig aussehen? Mit dieser Frage beschäftigen sich Marktteilnehmer*innen in ganz Europa. Es gilt, die Qualität der Abschlussprüfung zu verbessern. Mit alternativen Prüfungsmodellen wie Joint Audits kann das gelingen, zeigt der Blick über die Grenze. Österreich ist schon einen Schritt weiter: Dort ist die Gemeinschaftsprüfung in einigen Fällen verpflichtend. Ein Erfahrungsbericht von Dr. Peter Wundsam und Mag. Michael Kainrath von Mazars in Österreich.
Was ein Joint Audit ist, lesen Sie in Teil 1 unserer Joint-Audit-Serie.
Teil 2 der Joint-Audit-Serie widmet sich der Vielfalt auf dem Prüfermarkt.
In Teil 3 der Joint-Audit-Serie haben wir die Prüfungsqualität beleuchtet.
Unser Blog-Beitrag zur Audit-Reform in Europa erklärt das Konsultationspapier, das die Europäische Kommission am 12. November veröffentlicht hat.
Marktkonzentration auch in der Alpenrepublik
Die Veränderungen werfen ihre Schatten voraus. Auch in Österreich wird im Vorfeld der neuen europäischen Audit-Reform diskutiert, welche Maßnahmen dazu beitragen können, die Prüfungsqualität zu verbessern und die Zahl der Abschlussprüfer*innen für größtenteils börsennotierte Unternehmen zu erhöhen.
Verständlicherweise gehen hier die Ansichten weit auseinander: Auf der einen Seite stehen die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften („Big Four“), auf der anderen Seite die Vertreter*innen anderer Prüfungsnetzwerke, die sogenannten „Challenger“.
Wie in allen anderen Ländern der Europäischen Union ist auch der Abschlussprüfungsmarkt in Österreich stark konzentriert. 2020 waren bei der österreichischen Abschlussprüferaufsichtsbehörde (APAB) 184 Unternehmen von öffentlichem Interesse („Public Interest Entities“, kurz PIE) geführt. Davon wurden 90 Prozent von den Big Four geprüft. Neben Deloitte, EY, KPMG und PwC sind noch BDO, PKF und Grant Thornton auf dem Markt der Abschlussprüfer*innen für PIEs vertreten. Auch Mazars in Österreich ist es gelungen, ein Prüfungsmandat im PIE-Segment zu gewinnen.
Per Gesetz verpflichtet
Zusätzlich sind in Österreich sogenannte Revisionsverbände als Abschlussprüfer bestimmter Rechtsformen wie Genossenschaften und Sparkassen gesetzlich verpflichtend tätig. Sie sind beinahe immer gemeinsam mit einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am Start.
In der Diskussion verweisen die Big-Four-Vertreter*innen oft darauf, es könne zu einem Qualitätsverlust führen, würden Gemeinschaftsprüfungen verpflichtend vorgeschrieben. Sie übersehen, dass gerade österreichische Unternehmen langjährige Erfahrung in der Abwicklung von Joint Audits besitzen.
Zum einen fordern gesetzliche Vorschriften die Bestellung von zwei unabhängigen Abschlussprüfungsgesellschaften, zum anderen müssen Genossenschaften und Sparkassen jeweils auch einen genossenschaftlichen Revisionsverband als Prüfer bestellen. Meist kommt noch eine weitere Prüfungsgesellschaft für die Erteilung des Bestätigungsvermerks hinzu. So werden beispielsweise rund 17 Prozent aller PIEs im Finanzdienstleistungssektor, vorrangig Banken und Versicherungen, von mehr als einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft.
Auch andere Gesetze, darunter das Bundesgesetz über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz), verlangen die Bestellung von zwei Abschlussprüfer*innen, die zudem in einem Ausschreibungsverfahren bestellt werden müssen.
Commerzialbank: die österreichische Wirecard
Die Vergangenheit hat gezeigt: Es gab keine Qualitätsprobleme, wenn Abschlussprüfungen als Joint Audit durchgeführt wurden. Österreichs größter Bilanzskandal der letzten Jahre betrifft die burgenländische Commerzialbank, wo – vorbehaltlich der Ermittlungen durch die Behörden – Prüfungsfehler vermutet werden. Die Zahlen des Kreditinstituts waren über Jahre von einer einzigen Prüfungsgesellschaft testiert worden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Fehler durch ein Joint Audit früher aufgedeckt worden wären. Daneben sind in Österreich mehrere Haftungsverfahren anhängig, die sowohl die Big Four als auch alle anderen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften betreffen.
Klare Fürsprecher haben Joint Audits bei der österreichischen Abschlussprüferaufsichtsbehörde. So sagte kürzlich ein APAB-Vertreter auf einer Veranstaltung, seiner Meinung nach würden Joint Audits die Prüfungsqualität verbessern. Er selbst habe nur positive Erfahrungen mit diesem Prüfungsmodell gemacht.
Ein Blick über das PIE-Segment hinaus zeigt, dass kleinere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und jene Wirtschaftsprüfer*innen, die als Einzelpersonen arbeiten, in einem stark reglementierten Umfeld nur schwer bestehen können. Gerade bei länderübergreifenden Mandaten ist die Einbeziehung von Netzwerkunternehmen und die Überwachung ihrer Qualität ein Kernbestandteil der Prüfungstätigkeit. Von einzeln tätigen Wirtschaftsprüfer*innen können solche Zusatzaufgaben schlicht und ergreifend nicht wahrgenommen werden.
Marktvielfalt ist das Ziel
Österreich wird im Kontext der europäischen Audit-Reform sicher keinen Alleingang wagen. Dennoch bleibt zu hoffen, dass die Aufwertung von Joint Audits auch zu einer Öffnung des österreichischen Abschlussprüfermarktes führt und somit das Prüferangebot für alle großen international tätigen Unternehmen in Österreich erweitert wird.
Die Marktanalyse und die Ergebnisse der behördlich durchgeführten Überprüfungshandlungen zeigen, dass es in Österreich neben den Big Four noch etwa zehn weitere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gibt, die personell und qualitativ in der Lage sind, die Prüfung börsennotierter Unternehmen allein oder gemeinschaftlich durchzuführen – und zwar verlässlich. Für einen funktionsfähigen Markt sollten Unternehmen, die Abschlussprüfungsleistungen oder andere Bewertungs- oder Prüfungsleistungen vergeben wollen, aus mindestens acht bis zehn Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wählen können. Mehr Vielfalt heißt eben auch größere Auswahl.
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