Lieferkettengesetz: Warum es auch KMU betrifft

Werte & Vision
19. März 2024

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet große Unternehmen, auf Menschenrechte und Umwelt entlang ihrer Lieferkette sowie innerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs zu achten. Doch auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) geraten schnell in den Sog des LkSG – wie sollen sie damit umgehen? 

Während das LkSG ab Januar 2023 zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter*innen galt, betrifft es seit Januar 2024 auch Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) fallen also prinzipiell nicht in den Anwendungsbereich des deutschen Lieferkettengesetzes. Und doch kann es de facto auch KMU betreffen. Dann zum Beispiel, wenn große Unternehmen versuchen, ihre mittelständischen Zulieferer an der Prüfpflicht zu beteiligen. So kann es vorkommen, dass die Großen die KMU auffordern, das LkSG einzuhalten, Fragebögen auszufüllen, Selbstauskünfte zu geben, oder ihnen einen Verhaltenskodex (Code of Conduct) vorgeben wollen. Diese Weitergabe der Sorgfaltspflichten an Lieferanten ist allerdings nicht unproblematisch – sowohl für die vom LkSG betroffenen großen Unternehmen als auch für ihre kleineren Zulieferer.

Wie dieser Beitrag zeigen wird, sollte das LkSG von einem partnerschaftlichen Zusammenspiel informierter Akteure getragen werden. Kommt es dazu, kann das LkSG für alle Betroffenen und Beteiligten von Nutzen sein.

Transparente Lieferketten: Nachhaltigkeit steigern und Kosten senken

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Lieferkette ist für Unternehmen weit mehr als eine Compliance-Übung. Laut Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist dies „nicht nur moralisch richtig“, auch Investor*innen und Kund*innen fordern zunehmend verantwortungsvolles Handeln von Unternehmen ein. Zudem zeigen Krisen wie die COVID-19-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine, wie wichtig widerstandsfähige Lieferketten für die eigene Geschäftstätigkeit sein können. Der entscheidende Faktor ist dabei die Transparenz der eigenen Lieferketten: Unternehmen erkennen so frühzeitig potenzielle Risiken und ihre Auswirkungen und können proaktiv darauf reagieren. Das World Economic Forum schätzt, dass eine nachhaltige Prozessgestaltung die Lieferkettenkosten langfristig um bis zu 16 Prozent senken kann.

Übertragung von Sorgfaltspflichten nicht zulässig

Das LkSG soll in diesem Zusammenhang ein Instrument sein, mit dem alle Betroffenen und Beteiligten von den Vorteilen transparenter Lieferketten profitieren. Die Weitergabe der LkSG-Anforderungen von großen Unternehmen an KMU steht diesem Ziel allerdings in Teilen entgegen.

Das gängigste Instrument, mit dem große Unternehmen ihre Verpflichtungen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten an ihre Lieferanten – und damit auch an KMU – weitergeben, ist der sogenannte Lieferantenkodex (Supplier Code of Conduct). Nur wenn der Lieferant die Einhaltung dieses Codex zusichert, kommt er mit dem großen Unternehmen ins Geschäft. Damit ist vertraglich oftmals alleinig der Lieferant für die Einhaltung der Menschenrechtsstandards in der Lieferkette verantwortlich.

Ein solches Vorgehen steht jedoch im Widerspruch zum LkSG: Es formuliert an keiner Stelle explizite Anforderungen an oder Aufgaben für unmittelbare Zulieferer. Letztere werden zwar im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Präventionsmaßnahmen erwähnt, die die großen Unternehmen bei ihnen umsetzen sollen, wie etwa Kontrollmechanismen oder Schulungen zum Code of Conduct. Eine unmittelbare Rechtspflicht für das Mitwirken gesetzlich nicht betroffener Unternehmen ergibt sich aus dem LkSG aber nicht.

Handreichungen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) als verantwortliche Behörde, die den Gesetzestext nachschärfen, machen es erneut deutlich: Große Unternehmen dürfen ihre Pflichten nicht komplett auf KMU übertragen. So ist es auch unzulässig, ihnen pauschale schriftliche Zusicherungen abzuverlangen, die sie zur Einhaltung sämtlicher Sorgfaltspflichten verpflichten. In diesen Fällen müssen die großen Unternehmen damit rechnen, dass diese irreguläre Praxis durch Kontrollen des BAFA ans Tageslicht kommt.

Folgende Aufgaben können durch die Anforderungen des LkSG dennoch auf die KMU zukommen:

  • Risikoanalyse: Erstellen einer Verfahrensbeschreibung der Risikoanalyse, Weitergabe von Informationen über Risiken und Verletzungen der Sorgfaltspflichten, Erstellen eines detaillierten Wertschöpfungskettenprofils, Weitergabe von Kenntnissen über Betriebsstätten sowie Vorlieferanten
  • Präventionsmaßnahmen: Durchführung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und bei Zulieferern (z. B. Schulungen, Vor-Ort-Besuche)
  • Abhilfemaßnahmen: Beteiligung an Abhilfemaßnahmen, wenn Rechtsverletzungen auftreten
  • Beschwerdemechanismus: Bekanntmachen eines Beschwerdeverfahrens bei den Lieferanten und Betriebsstätten

Übertragung von Haftungsrisiken belastet Zulieferer

Aufgrund der Gesetzeslage und ihrer Auslegung haben KMU in keinem Fall mit Zwangsmaßnahmen oder Sanktionen durch das BAFA zu rechnen. Trotzdem sind sie finanziellen Risiken ausgesetzt, wenn große Unternehmen bei Verstößen vereinbarte Vertragsstrafen einfordern. Ein besonders hohes Kostenrisiko für KMU ergibt sich durch Freistellungsklauseln, die sich die großen Unternehmen zusichern lassen. Damit sichern sie sich ab, falls es innerhalb der Lieferkette zu Verstößen gegen soziale oder ökologische Grundsätze kommt. Eigentlich sind es die Großen, die in einem solchen Fall die entstehenden Kosten tragen müssten – auch, wenn der Schaden eigentlich von Zulieferern verursacht wurde. Die zugesicherten Freistellungsklauseln befreien sie aber davon und verpflichten stattdessen die KMU, das Haftungsrisiko zu tragen. Die Freistellungsklauseln sind besonders relevant, wenn das große Unternehmen eigentlich Bußgelder aufgrund von Verstößen gegen das LkSG zahlen müsste. Dass diese Praxis nicht dem Sinn und Zweck des LkSG entspricht, nämlich Mensch und Umwelt zu schützen, muss nicht eigens betont werden.

Ein partnerschaftlicher Lösungsansatz als Antwort

Nur wenn alle Akteure zusammenarbeiten, kann der Schutz von Mensch und Umwelt entlang der Lieferkette wirksam verbessert werden. So geben es auch zwei grundlegende Rahmenwerke vor: Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Gemeinsame Verantwortung und vereinte Bemühungen sollten sich demnach in allen Vertragsbestandteilen widerspiegeln. Maßnahmen müssen im Schulterschluss ergriffen werden, um nachteilige Auswirkungen zu erkennen, zu verhindern und zu beheben.

Vor diesem Hintergrund kann die Teilnahme an Brancheninitiativen für alle Unternehmen Synergien schaffen – insbesondere für KMU. Bei strukturellen Missständen in einem Sektor können gebündeltes Wissen und geteilte Ressourcen einen sinnvollen Beitrag zur Umsetzung des LkSG leisten. In der Textilbranche haben sich branchenweite Beschwerdemechanismen wie „Fair Wear“ oder „amfori Speak for Change“ als mögliche Lösungen etabliert, um den herausfordernden Umständen gerecht zu werden.

Konkrete Handlungsoptionen für KMU

Die Einhaltung von Anforderungen an die unternehmerische Sorgfaltspflicht ist für viele Lieferanten kein Neuland, sondern deckt sich oft mit bereits bestehendem Engagement, wie einer Selbstverpflichtung zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt. Welche konkreten Schritte können KMU nun unternehmen, um dieses Engagement wirkungsvoll auszubauen – das heißt langfristige und effektive Präventions- und Kontrollmechanismen zu etablieren, die tatsächlich die Rechte von Betroffenen und die Umwelt schützen?

  • Interner Wissensaufbau: Wer die Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei Zulieferern kennt und somit gegenüber Kunden eventuell über einen Wissensvorsprung verfügt, kann die eigene Sprechfähigkeit erhöhen und sich als Partner für nachhaltige Lösungen positionieren.
  • Möglichkeiten der Prozessstandardisierung nutzen: Managementsysteme und Prozessbeschreibungen unterstützen die Standardisierung sowie das strukturierte Steuern unternehmenseigener Abläufe. Sie tragen so zu einer kontinuierlichen Verbesserung innerhalb der Organisation bei.
  • Bewertungsplattformen, Zertifizierungen, Brancheninitiativen: Unternehmen können Bewertungsplattformen wie beispielsweise Ecovadis nutzen sowie an Zertifizierungen und Brancheninitiativen teilnehmen. Dies unterstützt intern den Aufbau entsprechender Strukturen und Kapazitäten und liefert einen hilfreichen Ausgangspunkt bei der Erfüllung der Anforderungen von Großkunden.

Ausblick – der europäische Rahmen

Ein weiterer Vorteil der oben genannten Schritte: Die aktuelle Auseinandersetzung mit den Anforderungen des LkSG, der dazu benötigten Transparenz sowie dem einhergehenden Reporting dient als gute Vorbereitung für die bestehende sowie kommende EU-Gesetzgebung. Neben der europäischen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD), die Anfang diesen Jahres in Kraft getreten ist, stehen weitere europäische Regularien unmittelbar vor der Tür bzw. befinden sich in den finalen Zügen des Gesetzgebungsprozesses. Dazu zählen insbesondere die EU-Taxonomie, die Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EU Deforestation Regulation, EUDR), das CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM), die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESPR) sowie die viel diskutierte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die EU-Lieferkettenrichtlinie, die nun voraussichtlich doch kommen wird, wenn auch abgeschwächter als ursprünglich angedacht.

Egal ob LkSG, CSRD oder EU-Taxonomie – sie alle bringen Anforderungen an die Prozessdokumentation mit sich. Unternehmen und ihre Lieferanten sollten demnach interne Verantwortlichkeiten sowie Strukturen schaffen und eine plausible und rechtskonforme Beschreibung von internen Prozessen, Strategien und Fortschritten zur Erfüllung der Berichtspflichten vorweisen können. So sind sie in der Lage, auf Nachfragen von Kund*innen, Wirtschaftsprüfer*innen, externen Stakeholdern oder Amtsträgern wie dem BAFA fundiert zu reagieren. Denn anders als beim LkSG werden Wirtschaftsprüfer*innen ab 2025 im Rahmen der CSRD die Nachhaltigkeitserklärungen von Unternehmen und damit einhergehend die Anforderungen der EU-Taxonomie prüfen.

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