Neue Standards sollen Finanzsektor transparenter machen

Reform & Debatte
29. August 2023

Nachhaltiges Wirtschaften beginnt mit dem Zugang zu verlässlichen Informationen. Allen voran Informationen über die sozialen, ökologischen und finanziellen Tragfähigkeiten einer Organisation oder eines Unternehmens. Nur wenn entsprechende Daten zugänglich und vergleichbar sind, können Anleger*innen Nachhaltigkeitsaspekte auch in ihre Investitionsentscheidung miteinbeziehen. Die angepasste Neufassung der technischen Regulierungsstandards (RTS) will genau das: Die Transparenz bei der Offenlegung der Nachhaltigkeitskriterien im Finanzdienstleistungssektor verbessern.

Den Finanzmärkten kommt bei der Neuausrichtung hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft eine Schlüsselrolle zu. Gemäß der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) (EU) Nr. 2019/2088, die am 10. März 2021 in Kraft getreten ist, sind Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater verpflichtet, Nachhaltigkeitsinformationen unter anderem zu Finanzprodukten und Investitionsentscheidungsprozessen offenzulegen. Die RTS konkretisieren laufend die Anforderungen, die sich aus der SFDR ergeben. Sie sind also als technische Erweiterung der SFDR zu verstehen und enthalten detaillierte Erklärungen und Vorlagen zur Umsetzung der Offenlegungsverordnung. Die Neufassung der RTS trat am 20. Februar 2023 in Kraft.

Konsistenz und Vergleichbarkeit der Offenlegung durch technische Standards

Vor allem die stetig steigende Nachfrage der Investoren nach qualitativ hochwertigen und quantitativ ausreichenden Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen hat in jüngster Zeit den Druck auf den Gesetzgeber erhöht, den Instituten eine klarere Linie bei den Offenlegungspflichten vorzugeben.   Aufgrund des noch zu großen Interpretationsspielraumes der RTS in diesem Bereich hatte die EU-Kommission die European Supervisory Authorities (ESAs) beauftragt, die RTS im Rahmen der SFDR zu aktualisieren.

Als Resultat haben die ESAs am 12. April 2023 ein Konsultationspapier veröffentlicht, das einen starken Bezug zum „ESG“-Begriff herstellt. Das Augenmerk wird hierbei vor allem auf die Themen „S“ (Social – Soziales) und „G“ (Governance – Unternehmensführung) gelegt. Gerade die Transparenz in diesen Bereichen erhöhen zu wollen, erscheint sinnvoll, da der bisherige Fokus verstärkt auf dem „E“ (Environment – Umwelt) gelegen hat.

Ziel des Konsultationspapieres ist es, die Konsistenz und Vergleichbarkeit der offengelegten Nachhaltigkeitsinformationen sowie die Verbesserung ihrer Überprüfbarkeit zu gewährleisten. Dadurch soll die Informationsflut vor allem für Kleinanleger und die breite Öffentlichkeit verringert und die Schlüsselinformationen übersichtlich und verständlich zusammengefasst werden. Nachhaltigkeitsspezifische Ziele wie die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, die Bekämpfung der Klimakrise und die Transparenz von Informationen, einschließlich Zwischenzielen, Meilensteinen und Maßnahmen, sollen durch die Ausarbeitung von Nachhaltigkeitsindikatoren in die Berichterstattung mit einbezogen werden. Diese Indikatoren richten sich nach den in der SFDR behandelten Principal Adverse Impacts (PAIs), also spezifischen Messgrößen, anhand derer ermittelt werden soll, welche negativen Auswirkungen sich durch Investmententscheidungen für Nachhaltigkeitsfaktoren wie Umwelt-, Sozial- und Governance-Belange ergeben.

Nicht zuletzt soll das Verfahren eine stärkere Überwachung und Überprüfung der Offenlegung von Nachhaltigkeitsmerkmalen angebotener Finanzprodukte und die ordnungsgemäße Umsetzung der Vorschriften durch die Regulierungsbehörden gewährleisten.

Die Bearbeitungsphase der Konsultation dauert bis zum Oktober 2023 an, woraufhin dann das finale RTS veröffentlicht werden soll.

Besonderheiten für Wirtschaftsprüfer*innen

Wie schon bei der Verabschiedung der SFDR und der sie präzisierenden RTS im Jahr darauf, wird auch die Erstellung des Konsultationspapiers innerhalb der Branche aufmerksam verfolgt. Doch nicht nur Investoren beobachten sehr genau, in welchen Bereichen die ESAs die RTS noch einmal nachschärfen. Auch für Wirtschaftsprüfer*innen ist die Überarbeitung von hoher Bedeutung, da sie verpflichtet sind, die Offenlegungsberichte ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der regulatorischen Anforderungen zu prüfen.

Das Konsultationspapier hat drei wesentliche Punkte mit Blick auf die RTS justiert:

1. Anpassung der Liste der sozialen Nachhaltigkeitsindikatoren

Die EU-Kommission hatte eine Anpassung mithilfe der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sowie die Einführung zusätzlicher obligatorischer sozialer Indikatoren (Non-ESRS) vorgeschlagen. Darüber hinaus sollen die Inhalte der PAIs vereinfacht werden. Neben der verständlicheren inhaltlichen Darstellung der PAIs sollen auch ihre jeweiligen Definitionen, anwendbaren Methoden, Metriken sowie die Darstellungen für die Akteur*innen des Finanzsektors vereinfacht werden.

2. Änderungen in Bezug auf Dekarbonisierungsziele

Wichtige Anpassungen nimmt das Konsultationspapier auch bei der Datenerfassung im Bereich Dekarbonisierung und bei der Überarbeitung der PAI-Indikatoren vor. Die grundsätzliche Offenlegung von Daten zur Erreichung der Dekarbonisierungsziele mittels „Ja/Nein-Fragen“ in Templates und Websites wurde verworfen. Aufgenommen haben die ESAs hingegen Forderungen, die die Institute verpflichten sollen, Informationen auf ihrer Website über ihre Dekarbonisierungsmaßnahmen bereitzustellen. Mit Blick auf die jeweiligen Finanzprodukte sollen hier die Ziele und deren Erreichung aufgeführt werden.

3. Gestaltungsmöglichkeiten der DNSH-Offenlegung

Nach dem Prinzip „Do No Significant Harm“ (DNSH) sollen mögliche negative Folgen der eigenen Unternehmungen frühzeitig erkannt, gemindert und vermieden werden. Hierfür schlagen die ESAs  PAI-Schwellenwerte für die Offenlegung vor. Dies erfordert jedoch zunächst eine konsistente Definition des DNSH-Ansatzes in der SFDR und der EU-Taxonomie-Verordnung in Bezug auf Umweltschäden. Zudem ist es wahrscheinlich, dass dieser Ansatz zu einem höheren Anwendungsaufwand führen würde. Der Grund sind die teilweise strengeren EU-Taxonomiekriterien, die erforderlich werden würden und die durch die sogenannten Technical Screening Criteria (TSC) ausformuliert und überwacht werden müssten.

Fazit

Die von den ESAs vorgeschlagenen Änderungen sind umfangreich und teilweise sehr ambitioniert. Entsprechend würden sie einen deutlichen Mehraufwand für die Autor*innen der Reportings erfordern, wenn sie auf der Basis ihres momentanen Standes umgesetzt würden. Gleichwohl ist die Erweiterung der Nachhaltigkeitsindikatoren ein adäquater Schritt in Bezug auf eine vollständige Offenlegung und die Verbesserung der Datenquantität. Es besteht hingegen das Risiko, dass die Umsetzung mithilfe der PAIs die bereits jetzt schon hohe Komplexität noch einmal zusätzlich verstärkt. Die Anpassungen bei der Veröffentlichung von Dekarbonisierungszielen und die Gestaltungsmöglichkeiten der DNSH-Offenlegung sind noch nicht marktreif ausformuliert und bedürfen einer weiteren Überarbeitung. Es gilt abzuwarten, wie die finalen RTS ausfallen werden. Nichtsdestotrotz werden die von den ESAs angestrebten Verbesserungen der regulatorischen Anforderungen sicherlich dazu beitragen, die selbst gesteckten Ziele auf eine effektivere Weise zu verfolgen und die Transparenz in der Offenlegung der Nachhaltigkeitskriterien weiter zu verbessern.


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