Sorgfaltspflicht und Nachhaltigkeits-Reporting: Wie sich durch den Abgleich von Daten Synergien realisieren lassen

Werte & Vision
23. Mai 2023

Das zu Jahresbeginn in Deutschland in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hat die Berichtspflichten für viele Unternehmen stark erweitert. In Kürze werden mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) weitere Herausforderungen und Chancen hinzukommen: Wer beide Berichtsanforderungen miteinander abgleicht und die bereits sehr detaillierten Erwartungen der EU-Regulation für seine Strategie- und Organisationsentwicklung nutzt, positioniert sich als Vorreiter in Zeiten von ESG-Integration und steigenden Stakeholder-Erwartungen.

Das LkSG im Kontext der CSRD

Das LkSG soll dazu beitragen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltrisiken im eigenen Geschäftsbereich und entlang der Lieferkette zu erkennen und zu vermeiden. Entsprechend sind die Unternehmen dazu angehalten, Analysen, Maßnahmen und Strategien in die Wege zu leiten, um Verstößen vorzubeugen. Zudem sind sie verpflichtet, einen Beschwerdemechanismus für Betroffene einzuführen. Schließlich müssen sie dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) einen Bericht vorlegen, der die Sorgfaltspflicht der Unternehmen dokumentiert. Das BAFA wird risikobasiert und in Abhängigkeit der Berichtsqualität Prüfungen ausgewählter Unternehmen vornehmen. Ab 2024 werden die Regeln aber auch auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen ausgeweitet. Sollte sich der Vorschlag des Rechtsausschusses des EU-Parlaments zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) durchsetzen, könnten künftig gar Unternehmen ab 250 Beschäftigte betroffen sein.

Anders als beim LkSG werden Wirtschaftsprüfer*innen ab 2025 im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) die Nachhaltigkeitserklärungen von Unternehmen und damit einhergehend die Anforderungen der EU-Taxonomie prüfen. Die neue Richtlinie soll die Qualität der berichteten Nachhaltigkeitsinformationen verbessern, indem sie die Anwendung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) für alle Unternehmen im Anwendungsbereich der Richtlinie vorschreibt. Dazu müssen Unternehmen ab den Geschäftsjahren 2024/2025 vielfältige Kennzahlen und qualitative Informationen über ihr Nachhaltigkeitsmanagement veröffentlichen – darunter menschenrechts- und lieferkettenbezogene Themen. Vor diesem Hintergrund bietet sich Unternehmen die Chance, zum einen CSRD-Inhalte für den LkSG-Report zu nutzen und zum anderen den künftigen CSRD-Report mit zusätzlichen Detailinformationen zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten aufzuwerten.

Doppelberichterstattung vermeiden, Synergien realisieren

Die aus dem LkSG hervorgehenden BAFA-Berichtspflichten sind durchaus umfangreich: Die Offenlegungsanforderungen sind in insgesamt fünf Kapitel gegliedert und beinhalten mehr als 400 Fragen. Um zu ermitteln, inwieweit die Fragen sich potenziell mit ESRS-Textbausteinen beantworten lassen, hat Stakeholder Reporting einen Abgleich der finalen Standardentwürfe der ESRS vom November 2022 mit dem BAFA-Fragebogen gemacht und ausgewertet. Das Ergebnis: Rund 20 Prozent der BAFA-Fragen könnten mit ESRS-konformen Textbausteinen beantwortet werden. Bei einem Drittel der Fragen konnte eine partielle Abdeckung festgestellt werden. In den meisten Fällen fordert die BAFA hier zusätzliche Detailinformationen. Rund die Hälfte der BAFA-Fragen gehen über den ESRS-Standard hinaus und müssen spezifisch beantwortet werden.

Tiefenanalyse: Wo Überschneidungen beim Reporting zu finden sind

Die Analyse hat gezeigt, dass vor allem bei der qualitativen Beschreibung von Prozessen und Governance-Strukturen erhebliche Synergien realisierbar sind, da diese in beiden Reporting-Systemen gefordert werden. Das gilt beispielsweise bei den Themen Risikomanagement und -analyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen, dem Beschwerdemechanismus und der Effektivitätsprüfung. Überschneidungen mit den BAFA-Anforderungen haben sich zudem konkret in den themenspezifischen ESRS-Entwürfen Verschmutzung (E2), eigene Belegschaft (S1), Arbeiter*innen in der Wertschöpfungskette (S2) und Betroffene Gemeinschaften (S3) gefunden. Der ESRS-Standard liefert zudem vielfältige Hinweise, was und in welcher Form zu berichten ist. So listet er detaillierte Erwartungen an die Vollständigkeit der Angaben auf und kann daher in vielen Punkten auch als Orientierungsrahmen für einen hochwertigen BAFA-Bericht dienen.

Unterschiede bestehen vor allem in der größeren Detailliertheit des BAFA-Fragebogens hinsichtlich der Risiko- und Performancedaten. Beispiele sind hier die Ergebnisse der Risikoanalyse, Erkenntnisse über konkrete Vorkommnisse und die Angaben über eingeleitete Maßnahmen, um Missstände zu beheben.

Prinzip der Angemessenheit bringt Entlastung

Die Angemessenheit setzt eine Art übergreifenden Rahmen für die Umsetzung der Sorgfaltspflichten und gibt Unternehmen einen entscheidenden Ermessens- und Handlungsspielraum in Bezug auf Art und Umfang bei der Umsetzung der eigenen Sorgfaltspflichten.

Das Prinzip und die Kriterien der Angemessenheit erläutert die BAFA in einer auf der eigenen Internetseite veröffentlichten so genannten „Handreichung zur Angemessenheit“. Für die Angemessenheit des eigenen Handelns ist zunächst Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens relevant. Kleinere Mittelständler müssen demnach die geforderten Garantien bezüglich der Menschenrechte in ihren Lieferketten nicht im gleichen Umfang erfüllen wie große, internationale Konzerne mit stark verzweigten Lieferketten. Auch sollen Unternehmen ihre Einflussmöglichkeiten auf den direkten Verursacher berücksichtigen, dabei spielen Machtverhältnisse zwischen den beteiligten Wirtschaftsakteuren eine wichtige Rolle, als größter Kunde kann ein Unternehmen deutlichen Einfluss auf seinen Lieferanten ausüben. Unternehmen haben auch die Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der Pflichtverletzung und der Umkehrbarkeit zu berücksichtigen. Besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwere Verletzung von Menschenrechten (zum Beispiel Sklaverei) und können die Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden (körperliche Schäden), muss das Unternehmen große Anstrengungen aufbringen, um geeignete Prozesse und Maßnahmen zu definieren, die diesen Risiken entgegenwirken. Letztendlich spielt auch der Verursachungsbeitrag des Unternehmens eine Rolle. Trägt das Unternehmen direkt alleine oder mit anderen gemeinsam zu der Verletzung bei, muss es höhere Maßstäbe an die eigenen Sorgfaltspflichten anlegen als ein Unternehmen, das zur Verletzung beiträgt, indem es eine entsprechende Handlung erlaubt, ermöglicht oder motiviert.

Es empfiehlt sich, die jeweiligen Überlegungen zu den Angemessenheitskriterien gut zu dokumentieren, um im Fall einer Überprüfung durch die BAFA schlüssig argumentieren zu können.

Fazit: Eine integrierte Herangehensweise lohnt sich

Auch wenn die BAFA-Fragen teilweise eine aufwändigere Betrachtung als die ESRS erfordern, bleibt die Bilanz positiv: Durch den Abgleich mit den ESRS lassen sich Synergien bei der Erstellung ähnlicher Berichtsinhalte realisieren. Zwar ist damit zu rechnen, dass die für Sommer 2023 erwarteten finalen ESRS-Standards noch einmal eine Kürzung erfahren werden. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Beschreibung von Managementansätzen und Prozessen davon betroffen sein wird. Für eine integrierte Herangehensweise sprechen außerdem weitere regulatorische Entwicklungen. So erfordern auch die „Social Minimum Safeguards“ der EU-Taxonomie-Verordnung eine umfassende Dokumentation der Due Diligence Prozesse in der Lieferkette. Weiterhin sollte schon heute die geplante Europäische Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) inhaltlich mit in den Blick genommen werden.

Dementsprechend empfiehlt es sich für Unternehmen, frühzeitig alle Abteilungen an einen Tisch zu holen, die beim Reporting mitwirken müssen. Denn nur wer weiß, welche Informationsanforderungen anstehen, wird sich um notwendige Anpassungen der eigenen Managementprozesse vorausschauend kümmern können.


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