Noch mehr Standards im Nachhaltigkeits-Reporting?

Werte & Vision
8. Mai 2024

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird immer wichtiger für Unternehmen. Gerade die europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) mischen das Reporting-Feld auf. Nun bringt das International Sustainability Standards Board (ISSB) ein weiteres Rahmenwerk ins Spiel – was kommt auf Unternehmen und Wirtschaftsprüfer*innen zu?

Die International Financial Reporting Standards (IFRS) definieren bekanntlich Normen für die internationale Finanzberichterstattung. Doch am 3. November 2021 ging die IFRS Foundation einen Schritt weiter und verkündete die Gründung des International Sustainability Standards Board (ISSB). Das Ziel dieses Gremiums: Die Entwicklung von Standards als Basis für eine internationale und allgemein gültige Nachhaltigkeitsberichterstattung, in der Unternehmen ihren Stakeholdern Informationen zu relevanten Nachhaltigkeitsaspekten offenlegen sollen.

Im Juni 2023 hat das ISSB die ersten beiden Standards veröffentlicht: Die IFRS Sustainability Disclosure Standards (IFRS SDS) IFRS S1 und IFRS S2. Die Standards sollen die bestehenden IFRS-Rechnungslegungsstandards ergänzen und weltweit anwendbar sein. Ihre Anwendung ist für Berichtsperioden möglich, die am oder nach dem 1. Januar 2024 beginnen.

Doch worum geht es inhaltlich bei den neuen Standards? Und wie unterscheiden und ergänzen sie sich?

  • IFRS S1: General Requirements for Disclosure of Sustainability-related Financial Information, zu deutsch: Allgemeine Vorschriften für die Angabe von nachhaltigkeitsbezogenen Finanzinformationen. Mit diesem Standard setzt das ISSB den Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, indem die grundlegenden Prinzipien und Pflichten der Berichterstattung sowie das Format, der Umfang, die grundlegend zu berichtenden Inhalte und das Wesentlichkeitskonzept dargelegt werden.
  • IFRS S2: Climate-related Disclosures, klimabezogene Angaben. Der IFRS S2 ist der erste Berichtsstandard, bei dem es um inhaltliche Themen geht: Um die Pflichten zur Berichterstattung über klimabezogene Risiken und Chancen.

Mit den Standards folgt das ISSB der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), die seit 2022 europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) entwickelt. Die ESRS wurden in finaler Version am 31.07.2023 von der EU-Kommission angenommen und im Dezember vergangenen Jahres im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Sie müssen von EU-Unternehmen angewendet werden, die gemäß Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zur Aufstellung einer Nachhaltigkeitserklärung verpflichtet sind. 

Internationale Anwendung und Prüfpflichten

Bei den IFRS SDS handelt es sich um freiwillige Offenlegungsstandards. Unternehmen, die bisher ihre Finanzberichterstattung nach den bestehenden IFRS-Rechnungslegungsstandards aufstellen, sind somit nicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach IFRS SDS verpflichtet. Erst durch die Übernahme der Standards in nationales Recht erhalten diese für Unternehmen einen verpflichtenden Charakter. Zahlreiche Länder sowie die EU haben ihr Wohlwollen für die IFRS SDS ausgedrückt. Entschlossener sind diejenigen Länder, die bereits die Anwendung der IFRS SDS zugesagt haben – beispielsweise Mexiko und Simbabwe. Andere Länder planen, die ISSB-Standards in ihre künftigen nationalen Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung maßgeblich mit einzubeziehen, darunter Japan und Großbritannien. In einem Communiqué hat zudem die Schweizer Börse SIX Stock Exchange mitgeteilt, die IFRS SDS neben den ESRS als Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung anzuerkennen.

Der Grad an Prüfungssicherheit der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach IFRS SDS hängt ebenfalls von der Umsetzung durch die jeweiligen Jurisdiktionen ab. Allerdings geht das ISSB davon aus, dass im Zuge der Übernahme der IFRS SDS in nationale Gesetzgebungen die Aufsichtsbehörden weltweit ein gewisses Maß an Prüfungssicherheit für die berichteten Informationen verlangen werden. Sowohl IFRS S1 als auch IFRS S2 sind so konzipiert, dass die berichteten Informationen mit begrenzter oder hinreichender Sicherheit prüfbar sind.

Welche Rolle werden die IFRS SDS auf EU-Ebene spielen?

Die EU hat mit der CSRD und den damit verbundenen ESRS-Berichtsstandards ein verpflichtendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen geschaffen. So müssen die Mitgliedsstaaten die CSRD bis spätestens Anfang Juli 2024 in nationales Recht überführen. Die Anwendung der auf EU-Ebene beschlossenen ESRS ist hierbei für alle Länder bindend.

Durch die verpflichtende Anwendung der ESRS ab 2025 (für das Geschäftsjahr 2024) ist mit einer Umsetzung der IFRS SDS in EU-Recht vorerst nicht zu rechnen. Allerdings betont die EU die Notwendigkeit einer möglichst hohen Übereinstimmung der verschiedenen internationalen Berichterstattungsstandards. Dies könnte künftig insbesondere bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Gruppenebene bedeutend werden. Die CSRD fordert für außereuropäische Unternehmen mit Töchtern in der EU unter bestimmten Voraussetzungen eine CSRD-Berichterstattung auf Gruppenebene ab 2029 (für das Geschäftsjahr 2028). Somit könnten Unternehmen zukünftig mit der Situation konfrontiert sein, nach beiden Berichterstattungsframeworks reporten zu müssen. Eine frühzeitige Berücksichtigung der IFRS SDS in der ESRS-Berichterstattung ist vor diesem Hintergrund empfehlenswert. 

Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Frameworks

Sowohl die ESRS als auch die IFRS SDS legen verbindlich fest, dass die Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung zeitgleich mit ihrer Finanzberichterstattung veröffentlichen müssen. Was die Frameworks unterscheidet, sind die Bestimmungen zur Verortung der Reportings im Rahmen der Finanzberichterstattung.

So verpflichten die ESRS die Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung in einem separaten Abschnitt des Lageberichts zu veröffentlichen. Die IFRS SDS hingegen schreiben sie lediglich allgemein als Teil der Finanzberichterstattung vor. Sie legen also nicht fest, an welcher Stelle Nachhaltigkeitsinformationen offenzulegen sind. Dennoch müssen die Unternehmen sicherstellen, dass die nachhaltigkeitsbezogenen Finanzinformationen eindeutig identifizierbar sind und nicht durch ergänzende Informationen verzerrt werden. Die IFRS SDS führen daher ebenfalls den Lagebericht und ähnliche Abschnitte der Jahresberichterstattung als geeignete Orte für die Nachhaltigkeitsberichterstattung an.

Doch welche Nachhaltigkeitsinformationen sind nun von den Unternehmen zu berichten? Beiden Konzepten gemeinsam ist die Forderung, dass Informationen über wesentliche Nachhaltigkeitsaspekte offengelegt werden müssen. Was als wesentlich gilt, definieren die Standards auf unterschiedliche Weise. Die IFRS SDS beziehen sich hierbei auf ihre bestehende Definition von Wesentlichkeit aus finanzieller Perspektive. Demnach sind diejenigen Informationen wesentlich, bei denen nach vernünftigem Ermessen davon auszugehen ist, dass ihre Auslassung, Verschleierung oder Falschangabe sich auf die Entscheidungen von Stakeholdern auswirken können. Stakeholder sind hier als Hauptnutzer von Finanzinformationen definiert.

Die ESRS hingegen wenden das Konzept der Doppelten Wesentlichkeit an. Somit sind Nachhaltigkeitsaspekte wesentlich, wenn sie aus der Financial-Perspektive oder der Impact-Perspektive relevant sind. Finanzielle Relevanz kommt einem Thema zu, wenn es zu wesentlichen Chancen oder Risiken für ein Unternehmen führt – Die Perspektive der finanziellen Wesentlichkeit ist somit unter den ESRS und den IFRS SDS deckungsgleich. Bei der Impact-Perspektive stehen gemäß den ESRS hingegen auch die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Mensch entlang seiner Wertschöpfungskette im Vordergrund. Alle Informationen, die auch nur in einen dieser beiden Bereiche fallen, sind demnach wesentlich und müssen in der ESRS-Berichterstattung aufgegriffen werden. Hierbei wendet die EU auch ein erweitertes Definitionskonzept für Stakeholder an: Es sind diejenigen Personen oder Gruppen gemeint, die das Unternehmen beeinflussen oder von ihm beeinflusst werden können.

Sowohl die ESRS als auch die IFRS SDS schreiben vor, dass die Interessen und Perspektiven von Stakeholdern in der Bestimmung der wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen zu berücksichtigen sind. Die Guidances beider Rahmenwerke liefern hierzu Leitfäden und Beispiele.

Anwendung von Berichtsstandards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Nach der Festlegung der wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen gilt es, die relevanten Informationen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu bestimmen. Als Ausgangspunkt für die Bestimmung von Relevanz einer Information gilt grundsätzlich die Fähigkeit dieser Information, den Nutzern der Berichterstattung bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Hierzu sollen Unternehmen die themenbezogenen Berichtsstandards der ESRS bzw. IFRS SDS anwenden. Diese beinhalten qualitative und quantitative Berichtsangaben zu den jeweiligen Nachhaltigkeitsthemen in den Dimensionen Umwelt, Sozial und Governance. Außerdem halten sowohl die ESRS als auch die IFRS SDS fest, dass Unternehmen ergänzende sektor- und unternehmensspezifische Angaben – wenn wesentlich – in ihre Berichterstattung aufzunehmen haben.

Für die ESRS ist hierzu für 2026 die Verabschiedung verpflichtender Sektorstandards vorgesehen. Diese sollen ergänzende sektorspezifische Berichtspflichten für 40 ESRS-Sektoren festhalten.

Die IFRS SDS schreiben hingegen für die Identifizierung von sektor- und unternehmensspezifischen Offenlegungsinformationen die Anwendung der vom Sustainability Accounting Standards Board (SASB) definierten Standards vor. Im Dezember 2023 veröffentlichte das ISSB Änderungen an den SASB-Normen, um deren internationale Anwendbarkeit zu verbessern und die Umsetzung und Anwendung von IFRS S1 zu erleichtern.

Eine Gegenüberstellung der SASB- zu den ESRS-Sektoren von der EFRAG ist im Entwurf vorhanden.

Fazit: Internationale Unternehmen sollten Standards im Blick haben

Insbesondere internationale Unternehmen mit Sitz oder Töchtern in der EU sollten die Entwicklungen in der internationalen Regulatorik zur Nachhaltigkeitsberichterstattung beobachten und sind gut beraten, sich frühzeitig mit den IFRS SDS auseinanderzusetzen. Gerade für sie bedeutet die Verabschiedung der IFRS SDS ein zusätzliches Rahmenwerk, das in der Berichterstattung zumindest mitgedacht werden sollte. Die IFRS SDS unterstreichen die Notwendigkeit für Unternehmen, Nachhaltigkeit insbesondere in den Prozessen zur Sicherstellung der Sorgfaltspflichten und im Risikomanagement zu verankern.

Die Entwicklungen bei den internationalen Nachhaltigkeitsstandards gehen derweil weiter. Erst am 2. Mai haben IFRS Foundation und EFRAG ein Guidance-Dokument (ESRS-ISSB Standards Interoperability Guidance) veröffentlicht, um das hohe Maß an Übereinstimmung zwischen den IFRS SDS und den ESRS zu veranschaulichen. Das Dokument enthält eine detaillierte Analyse der Übereinstimmung der klimabezogenen Angaben sowie Empfehlungen, wie Unternehmen beide Standardsets anwenden können.

Es empfiehlt sich somit, den Austausch zwischen EFRAG und ISSB weiter zu verfolgen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede auch bei sich noch in Entwicklung befindlichen Standards laufend beobachten und rechtzeitig auf diese reagieren zu können.

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