Diversity Management in der Praxis – ein Blick in die Wirtschaftsprüfung
In einer globalisierten Welt werden die Belegschaften in den Unternehmen zunehmend vielfältiger. Dies gilt auch für die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Sie können davon profitieren, stehen aber vor der Herausforderung, eine inklusive Unternehmenskultur zu entwickeln. Diversity Management kann eine Lösung sein – wenn es richtig umgesetzt wird.
Globalisierung und zunehmende Migrationsbewegungen führen zu immer pluraleren Gesellschaften. Für Unternehmen ergeben sich daraus Chancen, aber auch Herausforderungen. Wenn Unternehmen auf diese gesamtgesellschaftlichen Veränderungen mit nachhaltigen Diversity-Maßnahmen reagieren, lassen sich mit den internationalen Kolleg*innen nicht nur offene Fachkräftestellen besetzen, sondern dann kann sich dies auch positiv auf die Leistungs- und Innovationsfähigkeit eines Unternehmens auswirken. Nachteilig wirken sich hingegen mögliche Spannungen aus, die entstehen können, wenn ein Unternehmen Diversity Management nur oberflächlich umsetzt. Insbesondere international tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sollten sich dieser Dynamik bewusst sein und im Rahmen eines aktiven Diversity Managements frühzeitig strategische Maßnahmen einleiten, um Herausforderungen wie strukturelle Diskriminierung und Benachteiligung innerhalb der Unternehmensprozesse abzubauen.
Mit Diversity Management zu inklusiver Unternehmenskultur
Migration und die damit verbundenen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sind heute nicht nur wichtige Themen auf der politischen Agenda – sie stellen auch Unternehmen vor Herausforderungen. Denn so wie die Gesellschaft insgesamt vielfältiger wird, werden es auch die Belegschaften. Dies führt zu komplexen Dynamiken und Herausforderungen, die sich nicht selten in Form von Benachteiligung, Diskriminierung und auch Rassismus am Arbeitsplatz äußern. Zudem stellen der demografische Wandel, die Digitalisierung und technologische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz Unternehmen vor die Herausforderung, vielfältigere Belegschaften zu rekrutieren. Unternehmen müssen sich frühzeitig und gezielt mit diesen Themen und Spannungsfeldern auseinandersetzen. Nur so können sie und die Gesellschaft insgesamt von den Chancen der Vielfalt profitieren.
Die genannten Spannungen wirken sich auf eine Vielzahl von Unternehmensprozessen aus. Für unterrepräsentierte und marginalisierte Gruppen können sich daraus beispielsweise Nachteile bei der Beförderung und ungleiche Bezahlung ergeben. Darüber hinaus kann es zu psychischen Erkrankungen bis hin zu erhöhten Selbstmordraten kommen, wenn Beschäftigte ihre Identität am Arbeitsplatz nicht zeigen können oder sogar Teile ihrer Identität verbergen müssen. Ein effektives Diversity Management ist unerlässlich, um diesen Herausforderungen zu begegnen und ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen.
Diversity Management: Entwicklung, Definition, Kritik
Ursprünglich als Ersatz für „Affirmative Action“-Programme konzipiert, hat sich Diversity Management seit den 1990er Jahren in den USA und in den letzten Jahrzehnten in Deutschland zu einem festen Bestandteil der Unternehmenskultur entwickelt. Organisationsstrukturell ist Diversity Management im Human Resources Management verankert und kann zunächst als strategischer Ansatz der Unternehmen zur Rekrutierung von Mitarbeiter*innen und zur Gewinnmaximierung verstanden werden. Dementsprechend zielt Diversity Management darauf ab, Prozesse in Organisationen so zu gestalten, dass die Arbeitserfahrungen und -ergebnisse von benachteiligten Personengruppen in Organisationen oder auch gesamtgesellschaftlich verbessert werden.
Damit lassen sich zwei grundlegende Motive für den Einsatz von Diversity Management identifizieren: Erstens die instrumentelle Logik, die häufig als „Business Case“ bezeichnet wird und der beschriebenen ökonomischen Nutzenmaximierung folgt. Zweitens die Gerechtigkeitslogik, die darauf abzielt, Menschen unabhängig von ihrer Identität aus moralischen Gründen gerecht zu behandeln und damit Ungleichbehandlungen abzubauen.
Während Diversity Management zunächst als Lösung für eine Vielzahl von Problemen wie Diskriminierung und Ungleichheit propagiert wurde, melden sich mittlerweile auch kritische Stimmen zu Wort. Sie weisen beispielsweise auf die gegenläufigen Effekte von oberflächlichen oder primär auf Imageverbesserung ausgerichteten Diversity-Maßnahmen hin. So steigt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter*innen das Unternehmen verlassen, wenn es nicht zu wirklichen Veränderungen kommt und Entscheidungspositionen nicht tatsächlich vielfältig besetzt werden.
Diversity Manager*innen – Brücke zwischen Führung und Belegschaft
Diversity Manager*innen entwickeln die Diversity-Strategie eines Unternehmens und setzen diese in praktische Maßnahmen um. Sie spielen eine zentrale Rolle in der Vermittlung zwischen Unternehmensführung und Mitarbeiter*innen sowie zwischen verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens. Dabei orientieren sie sich an eigenen Unternehmensanalysen und gesetzlichen Grundlagen wie EU-, Landes- und Bundesgesetzen. Ebenso wichtig sind die Selbstverpflichtungen des Unternehmens im Code of Conduct, zum Beispiel zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen. Und auch der öffentliche Diskurs einer Gesellschaft spielt eine Rolle, etwa wenn es um das Thema geschlechtersensible Sprache geht.
Eine wichtige Aufgabe der Diversity Manager*innen innerhalb der Organisationen ist es, für relevante Themen zu sensibilisieren und die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen an die Unternehmensleitung heranzutragen. Darüber hinaus konzipieren und führen sie Trainings und Workshops für verschiedene Zielgruppen innerhalb des Unternehmens zu den Themen Diversity, Inclusive Leadership und Unconscious Bias durch. Bei Letzterem geht es darum, unbewusste Vorurteile zu erkennen, zu verstehen und sie schließlich schrittweise zu überwinden.
Relevante Stakeholder-Gruppen im Diversity Management
Für die erfolgreiche Umsetzung einer Diversity-Strategie ist es wichtig, alle relevanten Stakeholder einzubeziehen. Führungskräfte spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie als Vorbilder fungieren und die Werte der Diversity-Strategie aktiv vorleben. Sie sollten das Konzept des inklusiven Führungsstils in ihre tägliche Arbeit integrieren, um ihre Mitarbeiter*innen zu inspirieren und zu ähnlichem Verhalten zu ermutigen. Regelmäßige Schulungen und Trainings für alle Führungskräfte, einschließlich der Geschäftsführung, sind daher von großer Bedeutung.
Auch die verschiedenen Abteilungen des Unternehmens tragen zur Umsetzung der Diversity-Strategie bei, insbesondere Human Resources, Employer Branding, Recruiting und Kommunikation. Eine enge Zusammenarbeit zwischen diesen Abteilungen ist unerlässlich, um gemeinsame Ziele zu definieren und zu erreichen. HR-Prozesse, wie beispielsweise Beförderungsverfahren, sollten möglichst objektiv und diskriminierungsarm gestaltet werden. Im Recruiting-Alltag sind häufig unbewusste Vorurteile zu beobachten, die durch geeignete Maßnahmen minimiert werden können. Die Kommunikationsabteilung ist insofern ein strategischer Partner, da sie gezielt über Diversity-Ziele und -Maßnahmen berichtet und so zur Sensibilisierung aller Mitarbeiter*innen beitragen kann.
Mitarbeiter*innen, vor allem solche, die unterrepräsentierten und benachteiligten Gruppen angehören, sind ebenfalls wichtige Stakeholder des Diversity Managements. Durch die Gründung von Employee Resource Groups (ERGs), die sich beispielsweise mit Themen wie LGBTQIA+, mentaler Gesundheit oder Familienbetreuung beschäftigen, gestalten sie die Unternehmenskultur aktiv mit. Darüber hinaus ist es hilfreich, wenn diese Gruppen ihre Bedürfnisse aktiv an die Unternehmensführung herantragen. Auf diese Weise fördern sie einen offenen Dialog und stellen sicher, dass ihre Anliegen in die Diversity-Strategie einfließen. Darüber hinaus tragen sie die gelebte Unternehmenskultur nach außen und leisten einen aktiven Beitrag zur Reputation des Unternehmens.
Erfolgsfaktoren für Diversity Management in der Wirtschaftsprüfung
Erfolgreiches Diversity Management in der Wirtschaftsprüfung beginnt mit der Entwicklung eines überzeugenden Konzepts. So sollten Diversity-Maßnahmen strategisch entwickelt werden, um die vorher festgelegten Ziele erfolgreich umzusetzen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die organisatorische Einbettung der Diversity-Ziele in die allgemeine Unternehmensstrategie – nur so kann eine ganzheitliche Transformation gelingen. Darüber hinaus spielt der Einsatz von Unternehmensdaten eine zentrale Rolle, um konkrete Benachteiligungen in den Unternehmensprozessen sichtbar zu machen. So können Daten zu Gehältern aller Mitarbeiter*innen beispielsweise Hinweise auf ein ungleiches und somit ungerechtes Lohngefüge liefern. Kontinuierliche Datenerhebungen und -analysen ermöglichen es, zielgruppenspezifische Maßnahmen zu entwickeln, den Erfolg von Diversity-Maßnahmen zu bestimmen, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und strategische Anpassungen vorzunehmen. Auf diese Weise stellen Diversity Manager*innen sicher, dass Vielfalt nicht nur ein Lippenbekenntnis im Unternehmen bleibt und messbare Veränderungen im Unternehmen stattfinden.
Für weitere Themen rund um die Wirtschaftsprüfung und Forvis Mazars folgen Sie uns auch auf LinkedIn.
Kommentare