Interview mit Timo Husemann: „Wirtschaftsprüfer*innen werden nicht durch Roboter ersetzt“

Digitalisierung & Innovation
14. September 2021

In kaum einer Branche arbeiten Informatiker*innen und Betriebswirtschaftler*innen derart auf Augenhöhe zusammen wie in der Wirtschaftsprüfung. Wie wichtig ist Data Science bereits heute in dieser Branche? Die Antwort gibt es in unserem Gespräch mit Timo Husemann, Senior Manager bei Mazars im Bereich Wirtschaftsprüfung. 

Welche Rolle spielt das Thema Data Science in der klassischen Wirtschaftsprüfung?

Ganz grundsätzlich richten sich die Geschäftsmodelle der Wirtschaftsprüfung an betriebswirtschaftlichen Prozessen aus. In der klassischen Wirtschaftsprüfung spielt die IT – wenig überraschend – eine immer größer werdende Rolle. Finanzdaten werden in der klassischen Wirtschaftsprüfung durch Data Scientists in Analyse-Dashboards aufbereitet und gemeinsam mit dem Prüfungsteam analysiert, bewertet und in den Kontext gesetzt. In diesem Zusammenspiel aus BWL, IT, Statistik und Mathematik fokussieren sich die Data Scientists auf die Aufbereitung der Daten sowie das Zusammentragen der Daten in gut lesbaren Dashboards. Darüber hinaus setzen wir Kollegen aus dem Bereich IT-Prüfung ein – für die klassischen Themen im Bereich von IT General Controls und IT Application Controls. Ich selbst kann nicht beurteilen, ob ein Code gut oder schlecht gemacht ist, denn als Wirtschaftsprüfer fehlt mir hier die technische Expertise. Dafür ziehe ich unsere IT-Kolleg*innen oder unsere Data Scientists zurate, die über entsprechende Kompetenzen verfügen.

Die Daten zu prüfen, die wir zur Verfügung gestellt bekommen, ist eine der komplexesten und herausforderndsten Aufgaben in unserem Berufsalltag. Die Daten aus unterschiedlichen Haupt- und Nebensystemen zu beschaffen, stellt dabei aufgrund der Systemvielfalt und des vielfach angewandten Customizing eine besondere Herausforderung dar. Daher benötigen wir intern ein Team zur Vor- und Aufbereitung der Daten. Dies erfolgt oftmals mithilfe von Scripten, die von Data Scientists erstellt wurden. Diese Scripte pflegen wir, halten sie aktuell und entwickeln sie gegebenenfalls für diverse Systeme weiter.

Wenn neue Technologien eingesetzt werden, ersetzen sie zum Teil menschlichen Arbeitsaufwand. Was bedeutet das für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer?

Auch als Wirtschaftsprüfer*in ist es eine Kunst, das IT- bzw. Data-Science-Wissen mit dem wirtschaftswissenschaftlichen Know-how zu verknüpfen. Auf der einen Seite haben Data Scientists eine sehr datengetriebene Perspektive, wohingegen Betriebswirt*innen eine prüfungsbezogene Perspektive einnehmen. Beide Expertisen sind essenziell, damit Projekte erfolgreich verlaufen. Wir Wirtschaftsprüfer*innen müssen ein bisschen mehr wie Data Scientists denken und andersherum.

Wir arbeiten in einem sehr regulierten Markt, in dem neue Technologien erst einmal Fuß fassen und sich etablieren müssen. Das heißt, wenn wir über KI sprechen oder Machine Learning, ist das für den Berufsstand mit den jetzigen Regelwerken neu. So gibt es bislang keinen Prüfungsstandard zur Anwendung von Machine Learning oder zur Prüfung von Robotics Process Automation. Momentan unterstützt die Maschine lediglich, während die finale Beurteilung weiterhin beim Menschen liegt. Eine Maschine kann an gewissen Stellen keine vollumfänglich fundierten Entscheidungen treffen, denn sie hat aus vergangenen Daten gelernt, während die Zukunft vielleicht eine ganz andere Entscheidung benötigt.

Auch verfügt jede*r Mandant*in über individuelle Fragestellungen und Geschäftsmodelle, die kaum generelle Entscheidungen erlauben. Gerade die bekannten Fälle aus den Medien in der jüngsten Zeit zeigen, dass es wichtig ist, mit betriebswirtschaftlichem Hintergrundwissen die Geschäftsmodelle zu hinterfragen und verschiedene Daten sowie Ankerpunkte miteinander zu verknüpfen und in ein Gesamtbild zusammenzufügen.

Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer wird also so schnell nicht durch Roboter ersetzt. Zukünftig wird es weniger manuelle, repetitive Tätigkeiten geben, weil einfachere Tätigkeiten durch Automatisierungsprozesse erledigt werden. Ich gehe jedoch fest davon aus, dass es weiterhin Wirtschaftsprüfer*innen geben wird, die den Kontakt zu Mandant*innen, den Menschen, halten und die Prüfung orchestrieren.

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