Urteil: Keine Steuerminderung durch finale Verluste im Ausland

Reform & Debatte
29. Januar 2024

Finale Verluste ausländischer Betriebsstätten dürfen in Deutschland nicht gewinnmindernd geltend gemacht werden. Das geht aus einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom April 2023 hervor. Wirtschaftsprüfer*innen müssen somit bei der Steuerkalkulation darauf achten, dass das Ergebnis ausländischer Betriebsstätten rauszurechnen ist.

In dem Fall, der dem BFH zur Entscheidung vorlag, ging es um eine deutsche GmbH mit einer Niederlassung in Italien. Da die italienische Betriebsstätte kontinuierliche Verluste schrieb, entschieden sich die deutschen Eigner, diese im Jahr 2008 zu schließen. Die final angefallenen Verluste wollten sie in Deutschland gewinnmindernd ansetzen, um die hiesige Steuerlast zu senken. Doch ist eine solche Herangehensweise legitim? Dürfen finale Verluste im Ausland im Inland geltend gemacht werden? Die Vorinstanz des Finanzgerichts Hamburg entschied zunächst im Sinne des Unternehmens, der BFH kassierte das Urteil hingegen wieder ein und stellte fest, dass die Nichtberücksichtigung finaler Verluste mit der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit, der Charta der Grundrechte der EU (Art. 20) und mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) in Einklang stehe.

Rückfallklausel verhindert doppelte Besteuerung – und Nichtbesteuerung

Grundlage der BFH-Entscheidung ist das existierende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und Italien. Die in diesem Abkommen verankerte Rückfallklausel soll einerseits verhindern, dass in beiden Ländern aktive Unternehmen ihre Steuern weder in dem einen noch in dem anderen Staat bezahlen (doppelte Nichtbesteuerung). Andererseits schützt die Rückfallklausel die Unternehmen auch, indem sie dafür sorgt, dass diese nicht doppelt zur Kasse gebeten werden. Ein Unternehmen, das seinen Gewinn in Italien versteuert, muss diesen Gewinn also nicht ein zweites Mal bei einem deutschen Finanzamt einreichen. Bei Verlusten gilt dieselbe Logik: Verluste, die Unternehmen einmal im Ausland gewinnmindernd eingebracht haben, können nicht ein zweites Mal die Steuerlast im Heimatland senken.

BFH stärkt Grundsatz symmetrischer Ergebnisbesteuerung

Doch wie sieht es mit finalen Verlusten nach der Schließung der kompletten Auslandsdependance aus? Diese können ja nicht mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden, da diese aufgrund der Geschäftsaufgabe nicht mehr anfallen. Wäre es da nicht logisch, die Verluste zumindest in der deutschen Steuererklärung geltend machen zu können? Nein, sagt der BFH und begründet seine ablehnende Haltung, indem er herausstreicht, dass in diesem Fall eben nicht die tatsächliche Besteuerung maßgebend sei. Stattdessen zähle allein die Möglichkeit einer steuerlichen Berücksichtigung der Verluste im Ausland. Wäre die Betriebsstätte in Italien nicht geschlossen worden, hätten die Verluste dort ja fortgeschrieben und mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden können. Bei finalen Verlusten ist es also unerheblich, ob die Unternehmen diese Möglichkeit tatsächlich genutzt haben oder nicht.

Das Urteil bestätigt die symmetrische Besteuerung von Gewinnen und Verlusten: Eine Gleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten stellt sicher, dass nicht ein Staat von der Nichtberücksichtigung der Verluste profitiert, während ein anderer benachteiligt wird. Stattdessen verbleiben entstandene Verluste in dem Land, in welchem sie angefallen sind – Unternehmen können sie somit nicht grenzüberschreitend verschieben.

Welche Wirkung hat das Urteil über Italien hinaus?

Der BFH hat mit Blick auf das bilateral ausgehandelte DBA zwischen Italien und Deutschland entschieden. Hat das Urteil somit auch Auswirkungen auf entsprechende Abkommen Deutschlands mit anderen Ländern? Die bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und anderen Staaten bauen in aller Regel auf dem „OECD-Musterabkommen“ auf. Die DBA sind sich deshalb von Aufbau und Struktur sehr ähnlich. Aus diesem Grund wundert es nicht, dass ein älteres Urteil, welches das DBA zwischen Großbritannien und Deutschland betraf, in eine ganz ähnliche Richtung ging wie das aktuelle: Auch hier versagte das Gericht die Berücksichtigung finaler Verluste. Eine vergleichbare Rechtsprechung sollte deshalb auch beim Blick auf andere Länder mit entsprechend analogen DBA mehr als wahrscheinlich sein.

Da die BFH-Rechtsprechung zudem im Einklang mit einem vorangegangenen Urteil des Europäischen Gerichtshof steht (EuGH, Urteil vom 22.9.2022 – C-538/20), schafft es durchaus eine gewisse Rechtssicherheit für international agierende Unternehmen. Eine Wiedervorlage bei einem weiteren Gericht in einem Fall mit Bezug zu Italien oder Großbritannien ist somit eher nicht zu erwarten. Denkbar ist hingegen, dass Marktteilnehmer in anderen Mitgliedsstaaten das Thema erneut juristisch und mit Blick auf ihre landesspezifische Rechtsprechung und ihr DBA klären lassen wollen. Kein Fall ist komplett mit denjenigen identisch, über die bereits entschieden wurde – andere Sachverhalte könnten somit durchaus weitere Verfahren zu diesem Thema vor BFH oder EuGH nach sich ziehen.

Fazit: Staat profitiert, internationalen Unternehmen drohen Nachteile

Wie bei jeder juristischen Entscheidung gibt es auch hier Gewinner und Verlierer. So kann das aktuelle BFH-Urteil für Unternehmen mit Betriebsstätten in anderen Ländern nachteilig sein, da die im Ausland generierten Verluste nicht mit andernorts erwirtschafteten Gewinnen steuerlich verrechenbar sind. Die Nichtberücksichtigung finaler Verluste kann somit gegebenenfalls zu einer unternehmensbezogenen Liquiditätsbelastung der betroffenen Unternehmen führen. Auf der anderen Seite gewinnen der deutsche Staat und seine Bürger durch das Urteil, da internationale Verluste in Deutschland steuerlich nicht berücksichtigt werden und dadurch das Steueraufkommen nicht gemindert wird.


Für weitere Themen rund um die Wirtschaftsprüfung und Mazars folgen Sie uns auch auf LinkedIn, X und XING

Kommentare

Antwort

Ihre E-Mail Adresse wid nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind markiert*.