Auftragsbegleitende Qualitätssicherung – Sicherungsnetz beim Drahtseilakt

Reform & Debatte
31. Januar 2023

Wer prüft die Arbeit der Prüfer*innen? Neben nachgelagerten internen und externen Kontrollen gibt es für bestimmte Prüfungsaufträge auch eine auftragsbegleitende Qualitätssicherung. Wann diese greift, wer sie durchführt und was dabei überhaupt gemacht wird, beschreibt Kim-Cassandra Mömken für den Wirtschaftsprüfungs-Blog.

Wie sinnvoll ist eine auftragsbegleitende Qualitätssicherung?

Den Bestätigungsvermerk zu einer Abschussprüfung unterschreiben stets zwei Wirtschaftsprüfer*innen. An sich ist bei jedem Prüfungsauftrag bereits genug Fachexpertise vorhanden. Der Grundgedanke einer auftragsbegleitenden Qualitätssicherung besteht jedoch darin, dass während der Auftragsabwicklung ein dritter, unabhängiger Blick auf die Prüfung geworfen wird. So sind die Unterzeichner*innen nicht nur im ständigen Austausch mit ihren Mandant*innen, sondern treffen auch Ermessensentscheidungen in ihrer Prüfungsdurchführung. Der*Die auftragsbegleitende Qualitätssicherer*Qualitätssicherin hat in der Regel keinen Mandantenkontakt und ist daher unbeeinflusst von den Wünschen und Argumentationsketten der Mandant*innen. Er*Sie führt die Prüfung auch nicht aktiv aus und kann daher die Ermessensentscheidungen seiner*ihrer Kolleg*innen unabhängig hinterfragen. Die wichtigste Aufgabe bei einer auftragsbegleitenden Qualitätssicherung ist zu beurteilen, ob die Prüfungsdokumentation für einen externen Dritten verständlich ist und sachgerecht erscheint.

Was genau gehört zur auftragsbegleitenden Qualitätssicherung?

Im Gegensatz zu allen anderen Kontrollmaßnahmen für die Arbeiten von Wirtschaftsprüfer*innen erfolgt die auftragsbegleitende Qualitätssicherung – wie der Name bereits suggeriert – nicht nachgelagert, sondern parallel zu allen Phasen der Prüfung. Sie beginnt meist bei der Auftragsannahme. Der*Die auftragsbegleitende Qualitätssicherer*Qualitätssicherin prüft, ob das Auftragsschreiben den Standards der Wirtschaftsprüfungspraxis entspricht und ob das Prüfungsteam alle Formalien zur Unabhängigkeit erfüllt hat. Dem*Der auftragsbegleitenden Qualitätssicherer*Qualitätssicherin werden die Ergebnisse der Prüfungsplanung präsentiert, d. h., er*sie gewinnt ein Verständnis von der Geschäftstätigkeit des zu prüfenden Unternehmens und den vorliegenden (rechnungslegungsbezogenen) Risiken und hinterfragt, ob das Prüfungsteam darauf angemessene Reaktionen geplant hat. Im Rahmen der Auftragsdurchführung werden mit dem*der auftragsbegleitenden Qualitätssicherer*Qualitätssicherin bedeutsame Bilanzierungssachverhalte und etwaige auftretende Zweifelsfragen im prozessualen Prüfungsvorgehen, z. B. zu Stichprobenziehungen und -umfängen oder der Einbindung von Spezialist*innen, durchgesprochen. Der*Die auftragsbegleitende Qualitätssicherer*Qualitätssicherin erhält stetigen Zugriff auf die Prüfungsdokumentation. Vor Abschluss der Prüfung sieht der*die auftragsbegleitende Qualitätssicherer*Qualitätssicherin den Abschluss und – falls vorhanden – den Lagebericht des Unternehmens sowie den Prüfungsberichtsentwurf des Prüfungsteams durch und macht seine*ihre Anmerkungen dazu. Er*Sie muss eine Freigabe erteilen, bevor das Prüfungsteam testieren kann.

Wann findet eine auftragsbegleitende Qualitätssicherung statt?

Prüfungsaufträge bei Unternehmen, deren Eigen- oder Fremdkapitaltitel (also in der Regel Aktien oder Anleihen) zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen sind, unterliegen der Pflicht, durch einen*eine Qualitätssicherer*Qualitätssicherin begleitet zu werden. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind außerdem dazu aufgefordert, sich selbst für besonders risikobehaftete Mandate eigene Regeln zur auftragsbegleitenden Qualitätssicherung zu geben. Ab der Prüfungssaison 2023 greift für international tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zudem die Verpflichtung, auch Prüfungsaufträge von Unternehmen, deren Eigen- oder Fremdkapitaltitel zum Handel an einem nicht regulierten Markt (Freiverkehr) zugelassen sind, einer auftragsbegleitenden Qualitätssicherung zu unterziehen. Ab der Prüfungssaison 2024 gilt dies auch für Wirtschaftsprüfer*innen, die sich ausschließlich im deutschen Umfeld betätigen.

Warum gibt es eine auftragsbegleitende Qualitätssicherung nicht bei allen Prüfungsaufträgen?

Die auftragsbegleitende Qualitätssicherung verursacht Kosten, da eine weitere Person in die Prüfung involviert wird. Die zeitlichen Ressourcen dieser auftragsbegleitenden Fachkraft sind gebunden und stehen anderen Aufträgen nicht zur Verfügung, was auch hinsichtlich des Fachkräftemangels auf dem Wirtschaftsprüfermarkt durchaus ein beachtenswerter Aspekt ist. Insgesamt soll eine auftragsbegleitende Qualitätssicherung daher bei Aufträgen mit einem besonderen Risikofaktor erfolgen. Wünschenswert wäre daher eine Konzentration auf besonders komplexe Aufträge, bei denen die rechnungslegungsbezogenen oder prozessualen Fragestellungen auffallend schwierig sind. Da sich dieses Kriterium jedoch nicht willkürfrei abgrenzen lässt und stets Raum für Interpretationen bietet, hat die (internationale) Berufsorganisation die Kapitalmarktorientierung als Hauptentscheidungskriterium definiert. Wenn Mandant*innen Eigen- oder Fremdkapitaltitel am regulierten (und künftig auch nicht regulierten) Markt herausgegeben haben, wird davon ausgegangen, dass es sich in der Regel um komplexe Unternehmen handelt, deren Abschlüsse für eine Vielzahl von Stakeholdern von Relevanz sind.

Wer führt eine auftragsbegleitende Qualitätssicherung durch?

Der*Die auftragsbegleitende Qualitätssicherer*Qualitätssicherin muss über ausreichende zeitliche Ressourcen, die nötige fachliche Kompetenz für den spezifischen Auftrag und eine angemessene Durchsetzungskraft verfügen. Dabei ist es im Allgemeinen nicht erforderlich, dass diese Person einen Wirtschaftsprüfertitel hat. Im Falle der Prüfung von Unternehmen, deren Eigen- oder Fremdkapitaltitel jedoch an einem regulierten Markt zugelassen sind, muss der*die auftragsbegleitende Qualitätssicherer*Qualitätssicherin auch selbst Wirtschaftsprüfer*in sein. Bei komplexen Aufträgen, insbesondere Konzernabschlussprüfungen, kann der*die auftragsbegleitende Qualitätssicherer*Qualitätssicherin auch von Ausführungsgehilf*innen unterstützt werden. Die Gesamtverantwortung bleibt jedoch stets bei dem*der auftragsbegleitenden Qualitätssicherer*Qualitätssicherin selbst.

Fazit zur auftragsbegleitenden Qualitätssicherung

Die auftragsbegleitende Qualitätssicherung stellt einen doppelten Boden für Abschussprüfungen dar. Da sie mit Kosten und zeitlichem Aufwand verbunden ist, sollte sie nicht wahllos bei allen Prüfungsmandaten eingesetzt, sondern vielmehr gezielt nach Komplexität und Risiko der Aufträge ausgewählt werden. Bei gezieltem Einsatz liegt die auftragsbegleitende Qualitätssicherung sowohl im Interesse der Unterzeichner*innen als auch im Interesse der Gesamtpraxis, da sie eine unabhängige, fachlich fundierte Begleitung der Abschlussprüfung sicherstellt und somit Ungenauigkeiten oder Unstimmigkeiten im Rahmen der Auftragsdurchführung noch im laufenden Prozess adäquat korrigiert werden können.

Der Gesetzgeber sieht einige Pflichtanwendungsfälle vor. Die gesetzlichen Vorschriften sind dabei als pragmatischer Ansatz zu interpretieren, die Prüfungsaufträge mit den höchsten Komplexitäten und Risiken herauszugreifen. Leider führt dieser pauschale Ansatz nicht immer dazu, dass wirklich die Prüfungen ausgewählt werden, bei denen eine auftragsbegleitende Qualitätssicherung am sinnvollsten wäre. Statt den verpflichtenden Anwendungsbereich daher immer weiter auszudehnen, sollte der Berufsstand ggf. überlegen, ob es sich – insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass die Prüfer*innen ein Eigeninteresse an der auftragsbegleitenden Qualitätssicherung haben – nicht anbieten würde, die Eigenverantwortung der Wirtschaftsprüfer*innen hier zu stärken und Ausnahmen von den Pflichtanwendungen zuzulassen. Denn nur eine auftragsbegleitende Qualitätssicherung, die von allen Beteiligten als Nutzen wahrgenommen wird, ist dazu geeignet, ein wirkliches Sicherungsnetz unter dem Drahtseil, auf dem sich die Wirtschaftsprüfer*innen komplexer Unternehmen befinden, zu spannen.


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