Audit von EU-PIEs: Die Königsdisziplin der Wirtschaftsprüfung

Werte & Vision
4. Oktober 2023

Besonderes öffentliches Interesse kommt Unternehmen zu, die an einem organisierten Markt gehandelt werden. Die EU-Abschlussprüferverordnung definiert diese als sogenannte Public Interest Entities, kurz PIEs oder EU-PIEs. Aufgrund des öffentlichen Interesses gelten in diesem Sektor auch strengere Vorgaben und Anforderungen. Das macht die Abschlussprüfung eines PIE aus Sicht von Patrick Riedel, Wirtschaftsprüfer bei Mazars, zur Königsdisziplin in der Wirtschaftsprüfung.

Was ist das Besondere an der Mandantengruppe der PIEs?

Patrick Riedel: Aus meiner Sicht stellt die Prüfung eines EU-PIE die Königsdisziplin in der Abschlussprüfung dar. Wie der Name „Public Interest Entities“ schon sagt, geht es hier um Unternehmen im öffentlichen Fokus – entsprechend sind auch „all eyes on you“ als verantwortliche*r Wirtschaftsprüfer*in. Transparenz spielt eine entsprechend große Rolle. Das geht bereits bei der Mandatsvergabe los, denn jedes EU-PIE muss im Vorfeld eine öffentliche Ausschreibung durchführen. Unternehmen aus der Kategorie der EU-PIEs, welche ich prüfe, werden an einem organisierten Markt gehandelt, also etwa im Prime Standard an der Frankfurter Börse. Es ist daher spannend zu beobachten, wie sich der Börsenkurs nach der Veröffentlichung des geprüften Konzernabschlusses entwickeln kann. Hieran lässt sich auch erkennen, welche Relevanz eine gewissenhafte sowie ordnungsgemäß durchgeführte Abschlussprüfung hat. Man erfüllt als Abschlussprüfer*innen einen öffentlichen Auftrag und schützt die Interessen der Anleger*innen, da sich diese bei ihren Entscheidungen auf die geprüften Informationen verlassen müssen.

Wie wirkt sich die Bedeutung der PIEs auf die Anforderung bei der Abschlussprüfung aus?

Prüfer*innen müssen hier einen hohen Qualitätsstandard erfüllen und bewegen sich in einem streng regulierten Umfeld. So gelten unter anderem die strikten Anforderungen des Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes (FISG). Zusätzlich wird die Qualität bei der Prüfung von EU-PIEs durch die externe Abschlussprüferaufsichtsstelle, kurz APAS, abgesichert. Zudem gibt es besonders strenge Vorschriften zur Unabhängigkeit, insbesondere was die Erbringung von Nichtprüfungsleistungen angeht. Auch die Rotationspflichten bei der Prüfung von EU-PIEs sollen die Unabhängigkeit sicherstellen. So muss der*die verantwortliche Wirtschaftsprüfer*in aufgrund der Pflicht zur internen Rotation nach fünf, die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aufgrund der externen Rotationspflicht nach zehn Jahren wechseln. Darüber hinaus ist bei der Prüfung von EU-PIEs eine auftragsbegleitende Qualitätssicherung verpflichtend.

Das hört sich nach einer Menge Abstimmungsbedarf an …

Ja, ein*eine zusätzliche*r Wirtschaftsprüfer*in muss im Rahmen der auftragsbegleitenden Qualitätssicherung in die wesentlichen Themen und Phasen der Prüfung miteingebunden werden. Abstimmung und Koordination gehören aber auch darüber hinaus zu den Herausforderungen bei der Prüfung von PIEs. Aufgrund der oft internationalen Ausrichtung und der damit einhergehenden Konzernstrukturen der Unternehmen erfordert eine solche Abschlussprüfung eine enge Abstimmung mit internationalen Teams aus aller Welt, welche als Teilbereichsprüfer fungieren und die Tochtergesellschaften der PIEs im Ausland prüfen. Hier ist also jede Menge Organisationstalent gefragt. Zudem gibt es auch häufig Spezialthemen in Bezug auf die Rechnungslegung, da die Konzernabschlüsse von PIEs nach den IFRS, also den International Financial Reporting Standards, aufgestellt werden. Da diese teilweise komplexe Regelungen beinhalten, ist es notwendig, frühzeitig interne Expert*innen einzubeziehen oder eine fachliche Konsultation durchzuführen, die natürlich auch einen gewissen Vorlauf benötigt. Auf der anderen Seite erwarten die Vorstände und Überwachungsorgane der Gesellschaften, dass der*die Wirtschaftsprüfer*in sie regelmäßig über Neuerungen und Anforderungen informiert.

Wie muss man sich den Umgang mit den Mandanten generell vorstellen?

In der Regel hat man es mit Ansprechpartner*innen zu tun, die hoch qualifiziert sind und sich gut mit prüfungsrelevanten Themen auskennen. Teilweise handelt es sich auch um ehemalige Wirtschaftsprüfer*innen. Aufgrund der hohen Anforderungen ist es umso wichtiger, selbstbewusst, sachlich und gut strukturiert aufzutreten und die Aufsichtsrät*innen über alle relevanten Themen im Loop zu halten. Auf diese Weise erwirbt man sich dann auch das nötige Vertrauen. Eine regelmäßige Kommunikation mit den relevanten Entscheider*innen auf Seiten des Unternehmens ist ein absolutes Muss während aller Phasen der Prüfung. Die Vorstände haben häufig einen sehr vollen Terminkalender, entsprechend ist auch hier eine frühzeitige Organisation wichtig.

Welche zusätzlichen prüferischen Aufgaben übernehmen Wirtschaftsprüfer*innen bei PIEs über die klassische Jahres- und Konzernabschlussprüfung hinaus?

Es gibt eine große Bandbreite an Aufgaben, die den Wirtschaftsprüfer*innen im Rahmen ihres Prüfungsmandats zufällt. So müssen sie neben den Pflichten im Rahmen der klassischen Abschlussprüfung unter anderem den Vergütungsbericht zumindest formell prüfen. Zudem müssen sie sicherstellen, dass das Unternehmen bestimmte Unterlagen fristgerecht offenlegt, und sich entsprechend mit dem Corporate Governance Kodex und der nichtfinanziellen Erklärung auseinandersetzen. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, die jeweiligen Veröffentlichungstermine im Blick zu behalten und die entsprechenden Ansprechpartner*innen bei Bedarf an relevante Deadlines zu erinnern. Hinzu kommen die sogenannten „Key Audit Matters“, die speziell bei PIEs zu gesonderten Dokumentations- und Berichtsanforderungen führen. Auch durch die zusätzliche elektronische Veröffentlichung des Abschlusses im sogenannten „European Single Electronic Format, kurz ESEF, ergeben sich weitere Prüfungshandlungen. Durch die zusätzliche Veröffentlichung in diesem Format haben Analyst*innen nun die Möglichkeit, Abschlüsse automatisch auszuwerten. Vor diesem Hintergrund muss der*die Abschlussprüfer*in der Gesellschaft sicherstellen, dass der Abschluss, welcher hierfür in ein elektronisches Format überführt wird, den gestellten Anforderungen entspricht.

Wo lauern aus Ihrer Sicht die größten prüferischen Stolperfallen – und wie lassen sie sich vermeiden?

Die Koordination mit den Teilbereichsprüfer*innen kann eine Herausforderung darstellen. Um mögliche Verzögerungen zu vermeiden, sollte man sich frühzeitig und eng mit den Kolleg*innen im In- und Ausland abstimmen. Hierzu ist es sinnvoll, möglichst am Anfang eines Projektes die sogenannten „Audit Instructions“ an die Teilbereichsprüfer*innen zu versenden. In diesen wird festgehalten, wie die Prüfung auszugestalten ist und welche besonderen Anforderungen gestellt beziehungsweise welche gesonderten Prüfungshandlungen durchzuführen sind. Eine Kommunikation der Deadlines erfolgt ebenfalls über die Audit Instructions. Je früher man diese kommuniziert, desto besser können sich die Kolleg*innen darauf einstellen und entsprechend ihre Ressourcen planen. Auf diese Weise lassen sich Verzögerungen vermeiden. Falls sich dennoch abzeichnet, dass es zu Komplikationen kommen könnte, sollte der*die Wirtschaftsprüfer*in frühzeitig gegensteuern. Generell gibt es nichts Schlimmeres als plötzliche Überraschungen bei Tochterunternehmen, die sich im letzten Moment auf das Prüfungsurteil zum Konzernabschluss auswirken können. Dies gilt es in jedem Fall durch eine adäquate Prüfungsplanung und konstante Kommunikation zwischen den Prüfungsteams zu vermeiden.

Wichtig für Prüfer*innen: Deadlines einhalten, Unabhängigkeit wahren

Welchen Fehler sollte man bei Ihren Mandanten auf keinen Fall machen?

Es ist sehr wichtig, die gesetzlichen Deadlines einzuhalten, etwa die Fristen zur Veröffentlichung der Erklärung zur Unternehmensführung und dergleichen. Die Prüfer*innen müssen dabei beachten, dass für PIEs strengere und kürzere Deadlines gelten als für andere Unternehmen. Sie sollten stets die Deadlines für die Berichterstattung der Teilbereichsprüfer*innen über die Prüfergebnisse von Tochtergesellschaften im Ausland im Blick behalten und diese sofort nach Erhalt auswerten. Wenn es zu Feststellungen im Rahmen der Abschlussprüfung kommt, sollten diese auch ad hoc mit den Ansprechpartner*innen bei den zu prüfenden Gesellschaften abgestimmt werden, um gegebenenfalls eine schnelle Lösung herbeizuführen.

Und wenn doch etwas schiefläuft? Welches Haftungsrisiko besteht für die Wirtschaftsprüfer*innen?

Durch die strengen Regelungen des FISG kann es im schlimmsten Fall zu einer unbegrenzten Haftung für die Wirtschaftsprüfer*innen kommen. Weiterhin besteht ein gesonderter Anspruch der vielen privaten Aktionär*innen und institutionellen Investoren, die Anteile an einem PIE halten. Die mit der Prüfung von PIEs verbundenen Risiken lassen sich aber durch ein strukturiertes Vorgehen, eine frühzeitige Beschäftigung mit den Themen und eine frühe und regelmäßige Kommunikation und Abstimmung mit den bei der Prüfung eingebundenen Teilbereichsprüfer*innen, Expert*innen sowie der auftragsbegleitenden Qualitätssicherung minimieren. Ebenfalls hilfreich ist es, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Mandant*innen aufzubauen und sich regelmäßig mit ihnen auszutauschen. In jedem Fall muss man stets im Einklang mit den berufsständischen Pflichten für Wirtschaftsprüfer*innen handeln, dies gilt aber selbstverständlich nicht nur bei der Prüfung von PIEs.

Vielen Dank für das Gespräch.


Dieses Interview ist Teil einer Serie über verschiedene Mandantengruppen in der Wirtschaftsprüfung. Expert*innen von Mazars berichten in diesem Rahmen über die speziellen Anforderungen der Mandanten, prüferische Besonderheiten und ihre Erfahrungen mit den jeweiligen Persönlichkeiten. Bisher erschienen:

Private Equity Audit: Vom Deal zum Exit

Inhabergeführte Unternehmen: Auf das große Ganze kommt es an

Audit von Versicherungen: Teamwork wird großgeschrieben

Audit von Banken: Im Netz der Regularien


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